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Das letzte Heil liegt im Schwerte

Die Deutschen und ihre Kriegshelden

Das letzte Heil liegt im Schwerte
Von „Kriegshelden“ ging für viele Deutsche bis in die Mitte des 20. Jahrhundert hinein eine besondere Faszination aus. Blickt man vom Ende her auf die Geschichte, scheint die Heldenverehrung insbesondere im national-konservativen Milieu verankert gewesen zu sein. Doch das ist keineswegs der Fall, wie unter anderem das Beispiel Theodor Körners zeigt.

Helden sind ein Konstrukt. Die Vorstellung davon, was einen „Helden“ auszeichnet, hängt von der historischen Veränderung gesellschaftlicher Wertvorstellungen ab. Deshalb sind „Helden“ umstritten, denn die Werte, die die einen loben, erscheinen anderen höchst fragwürdig. Ein weiteres Merkmal der Heldengeschichte ist, dass sie sich auf den Einzelnen fokussiert und die Masse ausblendet. Damit einher geht die Marginalisierung der Opfer sowohl auf der eigenen wie auf der gegnerischen Seite. Auch dies ist typisch, denn die zu Vorbildern stilisierten „Helden“ sollen zur Nachahmung aufrufen. Ihre „großen“ Taten sollen den Blick auf die Opfer verdecken. Nachahmung meint aber vor allem die Bereitschaft, für das eigene Land in den Krieg zu ziehen und dabei möglicherweise den „Heldentod“ zu sterben.

Das gemeinsame Merkmal des Heldentods zeichnet die vier „Helden“ aus, deren wechselvolle Verehrungsgeschichte hier beispielhaft nachgezeichnet werden soll. Es sind dies der Dichter Theodor Körner (1791 –1813) und der Turner Friedrich Friesen (1784–1814), die während der Freiheitskriege gegen Napoleon in den Reihen des Lützow’schen Freikorps dienten. Hinzu kommen der Flieger Manfred von Richthofen (1892–1918) und der U-Boot-Kapitän Otto Weddigen (188 –1915), die während des Ersten Weltkriegs in den Diensten des kaiserlichen Deutschland kämpften.

Die entscheidende Vorbedingung für die Heroisierung dieser „Helden“ wurde im frühen 19. Jahrhundert geschaffen. Zuvor, in der Zeit der Söldnerheere, waren Kriegshelden alles andere als populär gewesen. Soldaten, die für Elend und Zerstörung verantwortlich waren, konnten keine Vorbilder sein. Das änderte sich mit den Befreiungskriegen gegen Napoleon und der damit verbundenen Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Nun musste der Bürger nicht nur Steuern zahlen, sondern bereit sein, für das Vaterland zu sterben. Dieser Opferbereitschaft des Bürgers zollte der preußische Staat symbolisch Tribut. Mit dem „Eisernen Kreuz“ wurde zum ersten Mal ein Orden verliehen, den jeder Soldat ungeachtet seines gesellschaftlichen Rangs erhalten konnte.

Die erste dem Bürgertum entstammende populäre Heldenfigur war der Dichter Theodor Körner, der 1813 in den Reihen des Lützow’schen Freikorps fiel. Qua Herkunft war Körner ein Mitglied der Elite des deutschen Bildungsbürgertums. Sein Vater Christian Gottfried Körner war ein enger Freund Schillers. Ihn verbanden freundschaftliche Beziehungen mit Goethe, den Schlegels und anderen Persönlichkeiten des Geisteslebens im frühen 19. Jahrhundert.

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Von seinem Vater und anderen Autoren wurde Theodor Körner zur Ikone des liberalen Bürgertums stilisiert. Der 21-Jährige wurde mit den politischen Forderungen des frühen deutschen Liberalismus identifiziert. Für die Monarchen, die konservativen und militärischen Eliten avan‧cierte Körner damit zu einer herausfordernden Oppositionsfigur. Denn Körner kämpfte aus Sicht seiner bürgerlichen Verehrer nicht nur für Deutschlands äußere Freiheit, sondern auch für die politischen Bürgerrechte eines souveränen Staatsbürgers. In einem national geeinten Verfassungsstaat sollten Humanität und Geistesbildung sowie die Leistung des Einzelnen in der Bürgergesellschaft die Anerkennung in Staat und Gesellschaft begründen, nicht die adlige Geburt. Und nur im Verteidigungsfall war der Staatsbürger bereit, die Uniform anzuziehen und als Soldat zu kämpfen. Zugespitzt: Körner war ein frühes Beispiel für den Staatsbürger in Uniform und entsprach damit dem Typus des patriotisch-wehrhaften Bürgerhelden.

Gleichermaßen wurde der Turner und Pädagoge Karl Friedrich Friesen heroisiert. Friesen war mit dem Begründer der Turnbewegung, Friedrich Ludwig Jahn (1778–1852), eng befreundet. Friesen und Körner deckten mit ihren Verehrergemeinden großbürgerliche wie auch kleinbürgerliche Formationen ab, die sich mit den liberalen Freiheitsforderungen des Vormärz identifizierten. Das Gedenken an die beiden „Helden“ in der Zeit des Vormärz barg politische Brisanz. Ein Kristallisationspunkt war der Totenkult an ihren Begräbnisstätten.

Eine radikale politische Stellungnahme, für die das Vorbild Körners in Anspruch genommen wurde, geschah im Sommer 1829 an dessen Grab im mecklenburgischen Wöbbelin, das zu einem Anziehungspunkt für das gebildete und besitzende Bürgertum geworden war. Zwei junge Männer, vermutlich Studenten, trugen sich mit „solch anstößigen Gesinnungsäußerungen“ insbesondere gegen den preußischen König Friedrich Wilhelm III. in das dort ausliegende Besucherbuch ein, dass eine polizeiliche Untersuchung einsetzte.

Die erste Inschrift eines Hamburger Theologiestudenten, die dieser am 26. Juli 1829 „namens vieler Bundesbrüder“ verfasst hatte, lautete: „Deutsche, seyd frey wie eure Väter waren, wie lange wollt ihr euch noch blenden laßen durch Pfaffenlist und Fürstentrug? Das letzte Heil, das einzge liegt im Schwerte. Vivat schwarz roth gold“. Kleine Zeichnungen ergänzten diese revolutionäre Forderung. Ein umgekippter Kelch, möglicherweise ein Symbol für die Kirche, wurde durch ein Schwert und eine Pistole umrahmt. Nicht weniger unmissverständlich klang die Botschaft des anderen Schreibers: „Möge dein Tyrannenhaß, Körner, noch lange herrschende Gesinnung des deutschen Volkes seyn. Möge es das Joch seiner eigenen Unterdrücker zerbrechen, wie diejenige des französischen! Nieder mit Fr. W. von Pr …n u.s.w.“.

Literatur: René Schilling, Kriegshelden. Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland 1813 – 1945. Paderborn 2002.

Dr. René Schilling

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