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Der Weg ins Museum

Geschichte(n) ausgestellt (Serie, Teil 2)

Der Weg ins Museum
Vor Überraschungen ist man bei Museumsexponaten nicht gefeit: Wie und warum ein Objekt ins Museum gekommen ist, kann manchmal spannender sein als das Exponat selbst.

… Da sitzt er: ein Offizier der Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika, in der rechten Hand eine Zigarre, vor seiner linken, auf dem mit Fellen bedeckten Tisch, ein Trommelrevolver. Die Wand seiner Unterkunft ist überreich geschmückt mit Jagdtrophäen: Antilopen- und Büffelgeweihen sowie Straußeneiern – in Afrika konnte ohne gesellschaftliche Reglementierung frei gejagt werden. Hinter ihm steht sein Bursche, den man in Deutsch-Südwest „Bambuse“ nannte; mit entblößter Brust wird er geradezu als „Wilder“ inszeniert. Das gesamte Arrangement des Wohnraums läuft auf den Hausherrn zu und darauf, die „gottgewollte Ordnung“ vor Augen zu führen. Durch seine Körpersprache verleiht er der vorherrschenden Überzeugung bildhaft Ausdruck, dass der „weiße Mann“ der Gipfel der Schöpfung sei und über die „Eingeborenen“ ebenso dominiere wie über die wilden Tiere.

Das Foto stammt aus dem Nachlass des Braunschweiger Gärtners Hermann Schlüter (1876–1953), der zwischen 1896 und 1901 im heuti-gen Namibia als Freiwilliger in der Schutztruppe diente. Er dokumentierte das Abenteuer, das für ihn wohl auch eine Gelegenheit bedeutete, der kleinbürgerlichen Enge zu entkommen, in der er aufgewachsen war, und etwas von der Welt kennenzu-lernen, von Anfang an fotografisch: die Überfahrt von Hamburg über Swakopmund in die Lüderitzbucht, die afrikanischen Landschaften und die wilden Tiere, das Leben in den Dörfern, die Bauten, welche die Kolonialherren errichteten, sowie Angehörige der Schutztruppen und die einheimische Bevölkerung.

Die Übernahme der Sammlung ins Braunschweigische Landesmuseum wurde seinerzeit kaum dokumentiert, so dass die Herkunft der insgesamt 281 Aufnahmen und die Motive der Fotografien im Nachhinein rekonstruiert werden mussten. Es lässt sich nachweisen, dass 180 der erhaltenen Aufnahmen von Schlüter selbst angefertigt wurden – mit einer einfachen, relativ handlichen Platten-Reisekame‧ra im Format 13 mal 18 Zentimeter. Einen Teil vor allem der Diapositive bilden dagegen Reproduktionen anderer Bildvorlagen. Seit 1904 verwandte Schlüter sie in Vorträgen zu Kolonialfragen, einer Thematik, die im Jahr des beginnenden Herero-Aufstands gegen die deutsche Kolonialmacht auf große Resonanz stieß.

Deutsch-Südwestafrika gehörte zum kolonialen „Streubesitz“ des Reiches, der entstanden war, als sich der Reichskanzler Otto von Bismarck 1884 entschloss, am „Wettlauf um Afrika“ teilzunehmen und die Besitzungen des Bremer Kaufmanns Adolf Lüderitz erst unter den Schutz Berlins zu stellen, dann in die Reichskolonialverwaltung einzugliedern; seit 1893 erfolgte dann eine zielstrebige Politik militärisch abgesicherter Eroberung. Die Zeit, die Schlüter im südlichen Afrika verbrachte, waren relativ ruhige Jahre; so gewaltfrei, wie seine Fotografien glauben machen, war die koloniale Welt allerdings auch damals nicht.

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Diese Beobachtung verweist auf eine Problematik, der Medien wie Museen noch nicht allzu lange Aufmerksamkeit schenken: Historische Fotografien sind Bildquellen, die kritisch befragt werden müssen. Zwar fanden Fotografien schon bald nach ihrer Erfindung Eingang ins Museum, zur Dokumentation wie als Sammlungsgegenstand, auch wenn man ihnen selten die gleiche Wertschätzung entgegenbrachte wie Originalobjekten oder etwa Gemälden. Gelernt werden musste im Umgang mit ihnen aber, dass sie nicht einfach „Wirklichkeit“ abbilden, sondern stark von der Sichtweise des Fotografen beeinflusst und oft inszeniert sind. Fotografien können daher auch Aufschluss über das geistige Klima einer Epoche geben. Der Schlüter-Nachlass etwa vermittelt nicht nur Einblicke in eine untergegangene Welt, sondern erlaubt auch Rückschlüsse, wie die Schutztruppler die koloniale Welt wahrnahmen. So wird der heutige Be‧trachter auch mit der damaligen Kolonialideologie und der Überzeugung von der Überlegenheit der „weißen Rasse“ konfrontiert…

Dr. Heike Talkenberger

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