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Ein Gotenkönig als Kaiser

Gistav II. Adolf von Schweden im Dreißigjährigen Krieg

Ein Gotenkönig als Kaiser
Sein Eingreifen in den Dreißigjährigen Krieg begründete Gustav II. Adolf von Schweden in seinem „Kriegsmanifest“ nicht mit konfessionellen, sondern mit politischen und wirtschaftlichen Motiven. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Indizien, dass er – bei längerer Lebenszeit – gar nach der Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reichs gestrebt hätte.

Das gleiche Land Schweden, das in neuerer Zeit als ein Land des Friedens erscheint und den Stifter des Friedensnobelpreises hervorgebracht hat, gehörte einst zu den kriegerischsten Ländern Europas. Die schwedische Erinnerungskultur ist sich dessen bewusst und stellt sich in Museen und Publikationen kritisch dieser Vergangenheit. Kein Geringerer als der 2009 zum federführenden Sekretär der Schwedischen Akademie der Schönen Künste berufene Peter Englund hat dem Dreißigjährigen Krieg ein Buch gewidmet, das unter dem sprechenden Titel „Die Verwüstung Deutschlands“ auch in deutscher Übersetzung erschienen ist.

Tatsächlich hat damals in einer breiten Zerstörungsdiagonale von der Ostsee bis nach Südwestdeutschland mehr als die Hälfte der Bevölkerung das Leben verloren. Zwar kam die „Kleine Eiszeit“ – es wurde damals kälter, und die Vegetationsperiode verkürzte sich ertragsmindernd – verschärfend hinzu, aber für die Menschen bedrohlicher als das sich stets wandelnde Klima war die Kriegskatastrophe. Die Schreckensmeldungen über Gewaltorgien entlang den Heereszügen, vor denen die Landbevölkerung hinter Stadtmauern oder in die Wälder flüchtete, sind keine leere Rhetorik, sondern in zahllosen Berichten, Tagebüchern und Verzeichnissen oft sogar mit Namen und Datum festgehalten. Die Bevölkerungsverluste waren nicht allein der unmittelbaren Kriegsgewalt geschuldet, aber durch permanente Requirierung von Getreide und Vieh verengte sich der Nahrungsspielraum, und mit den Heeren und der Flucht der Landbevölkerung in die Städte wurden Krankheiten verbreitet, denen die entkräfteten Menschen erlagen. Der Kampf um die letzten Ressourcen aber führte wieder zu neuen Gewalttaten und so fort. Die unheilige Dreifaltigkeit von Gewalt, Hunger und Seuchen wurde als eine so nie dagewesene Kulturbedrohung wahrgenommen.

Diese flächendeckende Verwüstung Deutschlands war vor allem in der zweiten Hälfte des Krieges zu beklagen und eine Folge des Eingreifens Schwedens und anderer europäischer Mächte wie Frankreich oder Spanien. Doch hat Schweden die nachhaltigsten Spuren in Sprache und Landschaft hinterlassen: Die Begriffe Schwedentrunk, -schanzen oder -löcher stammen aus dieser Zeit. Sogar ins Kinderlied fand das Bedrohungstrauma der Bevölkerung Eingang: „Bet, Kindlein, bet, morgen kommt der Schwed“, wurde damals gereimt. Dabei waren die Soldaten nicht nur Täter, sondern ebenso Opfer. Am Ende kämpften die jungen Männer, die in Schweden zur Armee ausgehoben worden waren, mit den Einwohnern um die letzten Nahrungsreserven. Durchschnittlich überlebten die schwedischen Soldaten in Deutschland nur drei Jahre; zumeist starben sie nicht an den direkten Kriegsfolgen, sondern an Entkräftung und Seuchen. Nur jeder Zehnte kehrte in seine Heimat zurück, die so neben den in zwei Jahrzehnten Krieg verbrauchten Ressourcen einen Verlust an arbeitsfähigen Männern hinnehmen musste. Es gab daher durchaus Friedensstimmen in der schwedischen Führung. Eine von ihnen warnte vergeblich, dass, wenn der Krieg so weitergehe, Schweden zwar viel Land erobert, das eigene aber ruiniert haben werde.

Was aber hatte ein schwedischer König überhaupt in Deutschland zu suchen? Warum hat Gustav Adolf in einen Krieg eingegriffen, der schon beendet schien? Denn nach dem Sieg über die mit dem Prager Fenstersturz 1618 begonnene böhmische Erhebung und über die von Christian IV. von Dänemark angeführte Intervention hatten Kaiser Ferdinand II. und seine Verbündeten mit dem Frieden von Lübeck 1629 den Krieg eigentlich schon gewonnen. Die Kampfhandlungen waren zum Erliegen gekommen, der Kaiser hatte seinen Feldherrn Albrecht von Wallenstein, der selbst den kaisernahen Reichsfürsten in der Katholischen Liga allzu mächtig und für die Verfassungsordnung gefährlich erschien, entlassen. Alles deutete auf einen allgemeinen Frieden hin. Vor diesem Hintergrund völlig überraschend, landete König Gustav II. Adolf im Juli 1630 an der Ostseeküste und gab dem auslaufenden Krieg in nur zwei Jahren bis zu seinem Schlachtentod so viel neue aggressive Dynamik, dass daraus am Ende ein 30-jähriger Krieg wurde, der beide Reiche, das deutsche wie das schwedische, an den Rand des Abgrunds brachte.

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Warum und wofür das alles, das gehört zu den schon lange diskutierten Rätselfragen der Geschichtswissenschaft. Der schwedische Forscher Sverker Oredsson hat in einer großen Untersuchung nicht weniger als elf Erklärungstypen in den letzten 200 Jahren gefunden, für die jeweils viel spricht. Doch könnten jeweils ebenso viele Argumente dagegen aufgeführt werden.

Nach allgemeiner Ansicht gilt der Dreißigjährige Krieg als Religionskrieg und der protestantische Glaubensheld aus dem Norden als das beste Beispiel für diese Sichtweise. In der Tat hat Gustav Adolf exakt zum 100. Jubiläum der grundlegenden evangelischen Bekenntnisschrift, der „Confessio Augustana“ von 1530, in den Krieg eingegriffen und ließ sich in Wort und Bild als deren Retter begrüßen. Lutheraner und Reformierte waren im Reich in eine schwierige Lage geraten, als der siegreiche Kaiser Ferdinand II. eine Reihe von Klöstern und Fürstbistümern, die erst nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 unter protestantische Verwaltung gekommen waren, mit dem Restitutionsedikt von 1629 für die katholische Konfession einforderte. Andererseits war der Religionsfriede als solcher, wo seine Auslegung unstrittig blieb, nicht in Gefahr. Die protestantischen Fürsten wollten sich auch gar nicht von einer auswärtigen Macht retten lassen und arbeiteten daran, eine neutrale dritte Partei zu bilden. Erst der politisch-militärische und propagandistische Druck nötigte sie zum Anschluss an den vordringenden Schwedenkönig. Eine gewaltige Bildpublizistik, die mit mythisch-biblischen Versatzstücken den „Löwen aus Mitternacht“ als gottgesandten evangelischen Helden präsentierte, hat die Kriegswahrnehmung überformt. Die einseitige konfessionelle Lesart des Krieges rührt vor allem aus diesem Flugblattkrieg.

Tatsächlich nennt das Kriegsmani‧fest Gustav Adolfs aber gar keine konfessionellen Motive, sondern führt politische und ökonomische Gründe ins Feld. Gegen eine Reihe von Provokationen und Übergriffen des habsburgischen Kaisertums müsse Schweden auf seine Sicherheit sehen und sich verteidigen. Der gelehrte Verfasser des Manifests, Johann Adler Salvius, hielt sich dabei an die Sprache des „gerechten Krieges“ in allen Kriegserklärungen der Zeit, gleichwohl hat die ältere schwedische Geschichtsschreibung diese Argumentationslinie für bare Münze genommen und ein defensives Sicherheitsinteresse konstruiert. Für einen Schutz Stockholms wäre nun freilich die Besetzung der deutschen Ostseeländer eine extreme Vorwärtsverteidigung gewesen. Die beanstandete kaiserliche Ostseeflotte erreichte nie mehr als ein Viertel der Größe der schwedischen und richtete sich gar nicht gegen Schweden, sondern gegen die abtrünnigen Niederlande.

Ging es aber um die Herrschaft über die Ostsee, dann war die Landnahme in Deutschland eben auch kein Verteidigungs-, sondern ein Expansionskrieg. Und tatsächlich hatte Gustav Adolf vom schwedischen Finnland aus schon die baltische Küste Flussmündung für Flussmündung eingenommen, die Hafenzölle in die schwedische Kriegskasse geleitet und stand nach Düna, Memel und Weichsel an der Oder und damit im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Am Ende zog er in Augsburg und München ein und bedrängte schon die Schweizer Eidgenossen, sich ihm anzuschließen. Hier ging es ersichtlich nicht mehr um Ostsee-Interessen, sondern es rückten die Kaiserstadt Wien, ja die Alpenpässe in Reichweite. Ging es also um mehr als nationale Interessenpolitik, und war die Ausweitung des Krieges mehr als eine Folge der Eigendynamik des Militärischen? …

Schlachtfeldarchäologie in Lützen Noch bis 2014 werden Archäologen des des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt mit Hilfe von Metalldetektoren systematisch Prospektionen des Schlachtfelds von Lützen durchführen. Das Untersuchungsgebiet umfasst eine Fläche von 300 Hektar. Finanziert wird das Projekt mit 600000 Euro durch die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft. Ein erstes Projekt zur archäologischen Erforschung der Schlacht von Lützen war bereits 2006 gestartet worden. Dabei wurden bis Oktober 2008 rund 5500 Funde geborgen. Davon konnte bislang ein Viertel der Schlacht zugewiesen werden; ein Zehntel der Funde stammt aus dem 18. bis 20. Jahrhundert. Die größte Fundmenge des Schlachtfelds von Lützen bildeten erwartungsgemäß Bleikugeln (etwa 850) unterschiedlicher Kaliber, die Rückschlüsse auf die in dem jeweiligen Bereich eingesetzten Einheiten und deren Bewaffnung zulassen. Darüber hin-aus wurden zahlreiche Uniformteile, vor allem Gürtelschnallen und Knöpfe, gefunden.

Literatur: André Schürger, Die Schlacht von Lützen 1632: Archäologische Untersuchungen auf dem linken kaiserlichen Flügel, in: Harald Meller (Hrsg.), Schlachtfeldarchäologie. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle. Band 2. Halle (Saale) 2009.

Prof. Dr. Johannes Burkhardt

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Zwerg|sä|ger  〈m. 3; Zool.〉 nordeuropäische, im männlichen Geschlecht weißschwarze Ente: Mergusalbellus

gen|tech|nik|frei  〈Adj.〉 frei von Gentechnik, ohne den Einsatz der Gentechnik (erzeugt)

♦ An|dro|sper|mi|um  〈n.; –s, –mi|en; Biol.〉 Samenzelle, die ein Y–Chromosom enthält [<grch. aner, … mehr

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