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Meister der Schrift und der Sprache

Textquellen des alten Ägypten

Meister der Schrift und der Sprache
Es fällt leicht, die Schönheit ägyptischer Tempel und Sarkophage, Skulpturen und Malereien zu bewundern. Um wirklich verstehen zu können, muss man jedoch die Schriftquellen zu Hilfe nehmen.

Altägyptische Schriftzeugnisse kennen wir seit der Zeit um 3200 v. Chr. So wurden etwa königliche Grabbeigaben mit Etiketten bestückt, die Auskunft über die Besitzer und die Herkunft der Güter gaben. Schrift wurde auch im Kult verwandt, und man setzte sie ein, um das Reich zu verwalten und Wissen zu speichern. Texten wurde also eine hohe Bedeutung beigemessen, und dies erklärt, warum Schreibmaterial eine wichtige Grabbeigabe darstellte. König Den ließ sich beispielsweise um 2900 v. Chr. einen leeren Papyrus mit ins Grab legen. Der älteste Satz, den wir vollständig niedergeschrieben kennen, bezieht sich, am Ende der 2. Dynastie (um 2853–2707 v. Chr.), auf eine Verwaltungstätigkeit im Rahmen des Götterkults: „Jedes Objekt aus Gold siegeln für den Ombiten [Gott Seth], nachdem er die Beiden Länder [Ägypten] für seinen Sohn, den Doppelkönig Peribsen, vereinigt hat“; der Pharao wird also in einem Vater-Sohn-Verhältnis zu dem Gott Seth gesehen. Bekannt sind heutzutage in erster Linie die kunstvollen und detailreichen Hieroglyphen, die überwiegend in Stein gemeißelt wurden. Daneben gab es aber von Anfang an eine vereinfachte Schreibschrift. Womit und worauf mit der Hand geschrieben wurde, stellt die Hieroglyphe für „Schrift“ und „schreiben“ dar: Sie zeigt beispielsweise Binsenstengel in einem Etui, ein Ledersäckchen für Farbpigmente und eine Palette, deren zwei Vertiefungen Tinte – meist rote oder schwarze – aufnehmen konnte. Die traditionelle Schreibschrift wurde seit der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. fast nur noch von Priestern verwendet, weshalb man sie seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. „hieratisch“ (priesterlich) nannte. Bis in römische Zeit wurden Hieroglyphen und hieratische Schrift parallel verwandt. Die späteste hieroglyphische Inschrift wird in das Jahr 394 datiert.

Ein wichtiges Bindeglied für die Wiederentdeckung der altägyptischen Texte bildete das Koptische. Dieses war – nach einer vom siebten vorchristlichen bis zum vierten nachchristlichen Jahrhundert benutzten Kurzschrift samt der dazugehörenden Sprachstufe, dem Demotischen – die letzte Sprachstufe, die vom Altägyptischen abstammt; geschrieben wurde sie allerdings mit griechischen Buchstaben sowie einigen Zusatzzeichen. In Gebrauch war das Demotische von etwa 100 n. Chr. bis ins 17. Jahrhundert, und zumindest in der Liturgie verwenden es die koptischen Christen in Ägypten noch heute.

Als Jean-François Champollion und andere Gelehrte im 18. und 19. Jahrhundert begannen, sich mit der altägyptischen Sprache und Schrift zu beschäftigen, konnten sie Erstere folglich verstehen, während die Kenntnis vom System der Hieroglyphenschrift seit der Spätantike verlorengegangen war. In der Neuzeit ermöglichten es erst das dreisprachige Dekret auf dem Stein von Rosette (es war für die multiethnische Bevölkerung des spätantiken Ägypten in Hieroglyphisch-Ägyptisch, Demotisch und Griechisch abgefasst worden) sowie einige Königskartuschen (Kartuschen sind die ovalen Seilschleifen, die den Namen eines Pharao umschließen), die altägyptischen Texte zu entziffern.

Das hieroglyphische Schriftsystem war weder eine reine Bilderschrift noch eine reine Lautschrift, vielmehr kombinierte es phonetische Zeichen (die für einen bestimmten Laut oder eine Lautfolge stehen) mit Deutzeichen (etwa für Kategorien wie Mensch, Säugetier, Gebäude usw.). Andere Zeichen wiederum bedeuteten quasi als Symbol unmittelbar das, was sie darstellten. Nachdem Champollion am Königsnamen Ramses erkannt hatte, dass Hieroglyphen Laut- und Symbolzeichen kombinieren konnten (Ra, der Sonnengott, wird mit der Sonnenscheibe geschrieben, „ms“ und „s“ werden dagegen phonetisch geschrieben und sind zu lesen als „hat ihn geboren“), eröffneten sich völlig neue Zugänge zur altägyptischen Kultur.

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Um über die Exponate des Louvre hinaus altägyptisches Material studieren zu können, besuchte Champollion 1824 Turin. Dort rekonstruierte er unter anderem den berühmten Königspapyrus aus der Zeit Ramses’ II. (1279–1213 v. Chr.), der die Namen der vor Ramses herrschenden Könige enthielt. Bei dieser Aufgabe leistete Champollion zudem die Chronik des pharaonischen Ägypten, die der Geschichtsschreiber Manetho im 3. Jahrhundert v. Chr. verfasst hatte, wichtige Dienste. Eine Sammlung illustrierter Sprüche auf Papyri, die sich offensichtlich auf das Jenseits bezogen und die seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert bekannt waren, deutete Champollion als Grabritual; der Berliner Ägyptologe Karl Richard Lepsius prägte dafür 1842 den bis heute geläufigen, wenn auch nicht sehr passenden Begriff „Todtenbuch der Ägypter“. Die ägyptische Bezeichnung „Anfang der Sprüche vom Her-ausgehen am Tage“ lässt den eigent-lichen Zweck besser erkennen.

Ein weiterer Text, der bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts das europäische Bild vom alten Ägypten beeinflusste, war die persönliche Biographie des Ahmose, Sohn des Ibana. Sie stammt aus dessen Grab in Elkab (Oberägypten) und beschreibt die Kämpfe zu Beginn des Neuen Reichs (um 1550–1070 v. Chr.). Zu erwähnen sind ferner die vollständig erhaltene Erzählung von den zwei Brüdern Anubis und Bata auf dem Papyrus d’Orbiney, welche die märchenhafte Lebensgeschichte zweier Hirten und Viehzüchter bis zur Krönung des jüngeren Bruders zum König schildert, sowie, auf dem Papyrus Sallier III, die poetische Form eines Kriegsberichts über die Schlacht, die Ramses II. 1274 im syrischen Kadesch gegen die Hethiter zu bestehen hatte. Den sogenannten Papyrus Prisse, der die Lehre des Ptahhotep enthält, eines angeblichen Bürgermeisters und Wesirs am Ende der 5. Dynastie (um 2400 v. Chr.), stellte als Erster der Engländer Charles Wycliffe Goodwin vor. Für ihn war dieser Text „das älteste Buch der Welt“; nach heutigen Erkenntnissen dürfte er erst in der 12. Dynastie (um 1976–1793 v. Chr.) verfasst und Ptahhotep nachträglich oder fiktiv zugeschrieben worden sein…

Prof. Dr. Ursula Verhoeven

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