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Spiegel der Politik

Geschichte(n) ausgestellt (Serie, Teil 8)

Spiegel der Politik
Politische Umbrüche und Gewalt finden ihren Widerhall auch im Museum: Was verraten uns eine Taschenuhr, eine Haarlocke und ein Einmachglas?

Halbmond über Wien

Er sollte den Himmel berühren, so wollte es sein Stifter Herzog Rudolf von Habsburg – der Südturm des Wiener Stephansdoms (rechts eine Darstellung vom Ende des 19. Jahrhunderts). 1433 wurde der mit 136 Metern zu dieser Zeit höchste Turm Europas vollendet, erst 1489 übertraf ihn der Turm des Straßburger Münsters. Die Spitze des Wiener Südturms trug zunächst ein schlichtes Kreuz, das jedoch bei einem Gewitter 1514 schwer beschädigt wurde. 1519 erhielt der Südturm daher eine neue Spitze: den „Mondschein“, mit dem sich Walter Öhlinger vom Wien Museum befasst hat. Über einem von acht vergoldeten Kupferplatten umhüllten Knauf wurden ein achtstrahliger Stern und eine Mondsichel aus vergoldetem Messing aufgesetzt. Die Mondsichel war so an dem Stern befestigt, dass sie sich seitlich um den Stern drehen konnte. Die Symbolik ist nicht klar: Sollte das Zusammenwirken von Papst (Stern bzw. Sonne) und Kaiser (Mond) gezeigt werden? Oder waren lediglich die Himmelskörper Sonne (Knauf), Stern und Mond gemeint? Wo doch der Turm den Himmel berühren sollte …

Klar ist jedenfalls, dass die „Mondschein“-Turmspitze ursprünglich keinerlei Bezug zum Osmanischen Reich besaß. Doch mit der Halbmondfahne standen 1529 die Türken vor Wien; nur mit knapper Not konnte die Eroberung der Stadt abgewendet werden. Kein Wunder, dass die Wiener jetzt mit ganz anderen Augen auf die Mondspitze ihres Doms schauten. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, der Sultan selbst habe die Anbringung der Mondsichel befohlen. Doch vergeblich wandte sich der Wiener Stadtrat 1530 an den Kaiser mit der Bitte, die nun als anstößig empfun‧dene Turmspitze durch eine Figur des heiligen Georg mit Fahne ersetzen zu dürfen.

Erst 1686, drei Jahre nach der zweiten glücklich überstandenen Türkenbelagerung, wurden Halbmond und Stern wirklich abgenommen und durch ein Kreuz ersetzt. Es hieß, Kaiser Leopold habe während der Belagerung Wiens ein entsprechendes Gelübde abgelegt. Nachdem dieses Kreuz noch im selben Jahr von einem Sturm abgerissen worden war, setzte man ein Doppelkreuz, das aus einem Doppeladler mit Zepter und Schwert herauswuchs, an dessen Stelle. Die Turmspitze des Stephansdoms führte so christlichen Glauben und weltliche Macht – die der Habsburger – zusammen. Auch die heutige Turmspitze orientiert sich an dieser Gestaltung.

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Die alte Turmspitze aber geriet zum Zeugnis des triumphierenden Hasses der Wiener auf den Feind: In den Mond ätzte der Kupferstecher Johann Martin Lerch eine Inschrift: „Haec Solymanne Memoria tua“ („Dieses, Süleyman, zu deinem Andenken“), kombiniert mit der obszö‧nen Handgeste der „Feige“ (die Unheil abwehren sollte) und der Jahreszahl 1529 (siehe links unten). Aus dem Stern wurden zwei Strahlen her‧ausgebrochen, um ihn dem Stern auf der damaligen Osmanenflagge anzugleichen. Heute bewahrt das Wien Museum dieses wichtige Zeugnis politischer Auseinandersetzung…

Dr. Marlene P. Hiller/Dr. Heike Talkenberger

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Sy|phi|li|ti|ker  〈m. 3〉 jmd., der an Syphilis erkrankt ist

Sar|del|le  〈f. 19; Zool.〉 Angehöriger einer Familie bis 15 cm langer, meist eingesalzen verwendeter, heringartiger Knochenfische: Engraulidae [<ital. sardella, … mehr

Zwil|lings|ar|ten  〈Pl.; Biol.〉 sehr nah verwandte, durch morphologische Merkmale nicht od. nur wenig unterschiedene Arten

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