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„Dich Arbeiter…, gerade dich wollen wir“

Die Politik der Deutschen Arbeitsfront

„Dich Arbeiter…, gerade dich wollen wir“
Mit dem 1. Mai 1933 begann die Einbindung der Arbeiter in die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“. Am Ende dieses Prozesses standen die Schaffung der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und die Umwertung traditioneller Werte der Arbeiterbewegung.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts war der 1. Mai der internationale Kampftag der sozialistischen Arbeiterschaft, die sich nach dem Ersten Weltkrieg in einen sozialdemokratischen und einen kommunistischen Flügel gespalten hatte. Wie in vielen Ländern gingen an diesem Tag auch in Deutschland alljährlich Hunderttausende auf die Straße, um ihre sozialen Forderungen machtvoll zur Geltung zu bringen. Für die Nazis bildete diese Tradition 1933 ein riesiges Problem, denn bis dahin war die organisierte Arbeiterschaft ihr entschiedenster Gegner gewesen. Zwar war die KPD nach dem Reichstagsbrand in den Untergrund getrieben und viele kommunistische, in zunehmendem Maß auch sozialdemokratische Funktionäre waren in Konzentrationslager verschleppt worden. Dennoch schien der 1. Mai zu einer politischen Kraftprobe zu werden, deren Ausgang nicht absehbar war. Letzte Betriebsratswahlen im April 1933 hatten die starken Mehrheiten für die sozialdemokratisch geprägten Gewerkschaften und ihnen nahestehende Kandidaten bestätigt. Die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) hatte zwar unter Angestellten Resonanz gefunden; unter den Industriearbeitern blieben ihre Anhänger aber eine verschwindende Minderheit. Die Reichsregierung Hitler drohte zu einer „Eintagsfliege“ zu werden angesichts einer organisierten linken Arbeiterbewegung, die zahlenmäßig die größte in Europa – allerdings in zwei sich heftig bekämpfende Blöcke geteilt – war.

Das war der Hintergrund eines Treffens zwischen Adolf Hitler und Joseph Goebbels am 23. März 1933. Goebbels war Gauleiter der NSDAP für die Reichshauptstadt Berlin und in der Auseinandersetzung mit Kommunisten und Sozialdemokraten kampferprobt; kurz vor dem Treffen hatte Hitler ihn zum „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“ ernannt. Sie einigten sich auf einen geschickten Schachzug: Der 1. Mai wurde zum arbeitsfreien „Feiertag der nationalen Arbeit“ erklärt. Damit nicht genug: „Wir werden das im größten Rahmen aufziehen und zum ersten Mal das ganze deutsche Volk zu einer einzigen Demonstration zusammenfassen. Von da an beginnt dann die Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften. Wir werden nicht eher Ruhe bekommen, bis sie restlos in unserer Hand sind“, fasste Goebbels die Ergebnisse der Unterredung am folgenden Tag zusammen. Gesagt, getan: Am 10. April 1933 wurde ein entsprechendes Gesetz veröffentlicht, am 1. Mai die „deutsche Volksgemeinschaft“ erstmals massenwirksam inszeniert, besonders eindrucksvoll auf dem Tempelhofer Feld in Berlin. Dort beschwor Hitler vor eineinhalb Millionen Menschen die Überwindung des „Geistes des Klassenkampfes“. Zynisch sprach er von „einer Zeit des Besinnens“ und „des Zusammenfindens des deutschen Menschen“, die nun anbräche.

Am 15. April 1933 begrüßte der Bundesausschuss des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB), der der Sozialdemokratie nahestand, die geplante Inszenierung der Volksgemeinschaft und deutete die 1.-Mai-Feiern im Sinn der Nationalsozialisten zum „deutschen Volksfeiertag“ um: Schon immer sei an diesem Tag „das Bekenntnis der von leidenschaftlichem Kulturwillen beseelten deutschen Arbeiter erglüht“. Die Arbeitnehmerschaft sei gewillt, „ein vollberechtigtes Mitglied der deutschen Volksgemeinschaft zu werden“ und sich unter der neuen Regierung Hitler „in die Gemeinschaft des Volkes einzuordnen“. Damit hatten die sozialdemokratischen Gewerkschafter faktisch die Waffen gestreckt. Die Kommunisten wiederum riefen verbalradikal zum Generalstreik auf. Sie mussten jedoch wissen, dass dies ein hoffnungsloses Unterfangen war. Angesichts einer offiziellen Arbeitslosigkeit von mehr als sechs Millionen Menschen und weiteren eineinhalb Millionen „unsichtbaren“, von den Statistischen Ämtern nicht erfassten Erwerbslosen sowie zahl-reichen Kurzarbeitern hätte ein Massenstreik nur gemeinsam mit der Sozialdemokratie Aussicht auf Erfolg gehabt. Zu einem gemeinsamen Handeln waren aber weder KPD noch SPD bereit. Die gespaltene Arbeiterbewegung war paralysiert und wurde zur leichten Beute der Nazis…

Prof. Dr. Rüdiger Hachtmann

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