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Eine stille Sammlerin

Hannah Mathilde von Rothschild (1832–1924)

Eine stille Sammlerin
Rund 40 Mitglieder der Familie Rothschild haben sich über die Jahrhunderte hinweg als Sammler von Kunstwerken betätigt, darunter – als einzige Frau in der von Männern dominierten Sammlerwelt – Hannah Mathilde von Rothschild in Frankfurt am Main.

Hannah Mathilde von Rothschild – ihr Rufname war Mathilde – wurde 1832 in Wien geboren. Damals heiratete man in der Familie Rothschild gern innerhalb des eigenen Familienverbandes, und so hatte ihr Vater Anselm seine Cousine Charlotte aus dem englischen Zweig der Familie geehelicht. Im Alter von 17 Jahren heiratete Mathilde ihren Cousin Wilhelm Carl von Rothschild aus Frankfurt, genannt Willy. Sie lebten im Frankfurter Stadthaus der Rothschilds in der Bockenheimer Landstraße, in der nahe gelegenen, im italienischen Stil erbauten Villa Grüneburg und in der neugotischen Villa Rothschild in Königstein im Taunus.

In diesen Häusern wurde die Kunstsammlung untergebracht, die Mathilde schon früh und ohne viel Aufhebens anlegte und bis zu ihrem Tod 1924, im Alter von 92 Jahren, beständig erweiterte. Sie erwarb Werke höchster Qualität von bekannten und beliebten Künstlern wie Gerard Dou, Jan Steen und Gabriel Metsu aus der holländischen Schule und eine Reihe wichtiger französischer und englischer Werke, die in deutschen Sammlungen des 19. Jahrhunderts weit weniger üblich waren.

Mathilde und Willy führten trotz ihres streng orthodoxen Glaubens ein reges gesellschaftliches Leben. Sie luden gern Mitglieder der weitverzweigten Rothschild-Familie, aber auch Musiker, Künstler und Intellektuelle ein. Mathildes Mutter hatte bei Chopin Klavierunterricht erhalten, und Mathilde selbst wurde für ihre Liedkompositionen bekannt; die berühmten Sängerinnen Selma Kunz, Adelina Patti und viele andere baten „Freifrau Willy von Rothschild“, Lieder für sie zu schreiben. Während ihr Ehemann, der von seinem Vater Carl Mayer einige Bilder geerbt hatte, europäische Silber- und Schatzkammerobjekte sammelte, wurde Mathilde die größte Sammlerin alter Meister unter den Rothschilds, besonders nach Willys Tod 1901.

Betrachtet man Mathildes Stammbaum und ihre nahen Verwandten, dann ist dies kaum verwunderlich. Ihre Sammelaktivitäten sind allerdings seit langem in Vergessenheit geraten, denn die Sammlung wurde nach ihrem Tod aufgelöst, und in der Familiengeschichte stand ohnehin die Sammeltätigkeit der männlichen Mitglieder im Vordergrund. Mathildes Vater kaufte leidenschaftlich gern Bilder, bei Auktionen wie bei Privatverkäufen. 1845 erwarb er von dem Rotterdamer Schnapsbrenner Leonardus-Pieter Klerk de Reus en bloc eine Sammlung von 35 holländischen und flämischen alten Meistern. Nach seinem Tod 1874 wurden sie zusammen mit anderen Werken seiner Sammlung unter seinen drei überlebenden Söhnen Nathaniel, Ferdinand und Albert aufgeteilt, von denen heutzutage Ferdinand als Sammler am bekanntesten ist. Er baute Waddesdon Manor in Buckinghamshire (England; heute Eigentum des National Trust), das seine große, bedeutende Sammlung an Kunst und Kunsthandwerk beherbergt; die Gold-, Silber- und Schatzkammerobjekte aus Waddesdon vermachte er bei seinem Tod 1898 dem Britischen Museum.

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Auch Mathildes Schwestern waren begeisterte Sammlerinnen. Die ältere, Julie, hatte ihren Cousin Adolphe Carl geheiratet und war ins Château Prégny bei Genf gezogen, in dem ihre Sammlung prächtig zur Geltung kam, da das Haus von John Paxton, dem englischen Lieblingsarchitekten der Familie, umgebaut wurde (er baute auch Mentmore in Buckinghamshire für Mayer Amschel und Ferrières in der Ile-de-France für James de Rothschild). Die zweite Schwester Alice, die zu ihrem verwitweten Bruder Ferdinand nach Waddesdon zog, um ihm Gesellschaft zu leisten, erbte nach seinem Tod Haus und Sammlung; sie erweiterte diese beträchtlich, wenn auch nicht unbedingt mit erstklassigen Werken, sondern mit unbekannteren Bildern alter Meister, mit Fächern, Knöpfen und viel Porzellan.

Dr. Michael Hall

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