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Sterngucker, Hofärzte und gelehrte Kapitäne

Wissenschaft im Osmanischen Reich

Sterngucker, Hofärzte und gelehrte Kapitäne
Osmanische Gelehrte haben im großen Buch der Wissenschaftsgeschichte interessante, wenn auch jenseits der türkischen Grenzen eher unbekannte Kapitel geschrieben. Drei Disziplinen – Astronomie, Geographie und Medizin – sind besonders geeignet, um zu zeigen, wie sich moderne wissenschaftliche Erkenntnisse gegen traditionelle Inhalte durchsetzten.

Für den strenggläubigen Muslim waren astronomische Grundkenntnisse Bestandteil seiner religiösen Bildung. Die Gültigkeit des Ritualgebets war an komplizierte zeitliche und räumliche Verhältnisse gebunden, weil sich die fünf Gebetszeiten von Tag zu Tag änderten und sich die Gebetsrichtung von Breitengrad zu Breitengrad verschob. Der osmanische Gelehrte Ahmed Ta¸sköprüzâde (gest. 1561) bemühte sich in seiner Enzyklopädie der Wissenschaften um eine Systematik der astronomischen Teilgebiete. Er zählte 27 Disziplinen von der „Wissenschaft der Himmelskörper“ bis zu den „Mechanischen Zeitmessungsinstrumenten“; die „Lehre von den Gebetszeiten“ nahm dabei den 18. Platz ein. Der Autor unterstrich: „Das ausreichende Studium dieser Wissenschaft ist religiös geboten.“

Die Kenntnis der Gebetszeiten ist im Islam eine sogenannte Kollektivpflicht, die sich auf die Allgemeinheit der Gläubigen bezieht. Das heißt, wer nicht über sie verfügt, muß sich an einen Spezialisten auf diesem Gebiet wenden. In einer auf Sultan Mehmed II. (1451–1481) zurückgehenden Gesetzessammlung wurden Vorschriften für den Astronomieunterricht an der medrese (der juristisch-theologischen Lehranstalt) gemacht. Die Studenten sollten nach dem Grundstudium der arabischen Grammatik das notwendige Wissen auf den Gebieten der Astronomie, Geometrie, Semantik und Rhetorik erwerben (ähnlich dem abendländischen Quadrivium der Artes liberales, bei denen ebenfalls die Astronomie vorkam). Es fehlte allerdings nicht an theologischen Meinungen, die ein Studium der Planeten und Fixsterne, das über die Ermittlung der Gebetszeiten und Gebetsrichtungen hinausging, für schädlich, wenn nicht für verboten hielten, weil es am Ende zur Wahrsagerei führe. Tatsächlich waren die meisten Absolventen der osmanischen Medrese wohl nur in der Lage, einfachste Quadranten anzuwenden, um im Monat Ramadan der Landbevölkerung den Zeitpunkt des Fastenbrechens zu verkünden (wie ein Istanbuler Gelehrter des 19. Jahrhunderts ätzend notierte).

Von theologischen Vorbehalten gegenüber der Astrologie zeigte man sich bei Hof selten beeindruckt. Auf der payroll des Sultans stand über Jahrhunderte ein Chefastrologe. Er war unter anderem für die Bestimmung des Geburtshoroskops von Mitgliedern der Herrscherfamilie zuständig. Auch wandte man sich an ihn, wenn es um die Festlegung der glücklichsten Stunde für den Antritt eines Feldzugs ging, für das Auslaufen der Flotte, die Verleihung des Reichssiegels an den Großwesir oder die Grundsteinlegung einer Moschee. Der bekannteste Astronom war der Ägypter Takî ad-Dîn (gest. 1585), dessen gut ausgestattetes Observatorium vor den Mauern von Istanbul-Galata 1580 einem eifersüchtigen Großwesir zum Opfer fiel. Takî ad-Dîn war 1571/72 zum obersten Sterndeuter ernannt worden. Sultan Murad III. beauftragte ihn mit der Verbesserung der um 1441 fertiggestellten Sterntabellen des Timuridenherrschers Ulug Beg. Dabei stand ihm ein Stab aus 16 Assistenten zur Verfügung. Seine wissenschaftlichen Geräte sollen zum Teil die seines dänischen Kollegen Tycho Brahe (1546–1601) an Präzision übertroffen haben. Jedenfalls gelangen Takî ad-Dîn, auch dank des Einsatzes mechanischer Uhren, recht präzise Messungen wie die der Schiefe der Ekliptik, also des Winkels, den die Achse der Erde mit der Ebene durch die Sonne bildet, in der die Erdbahn scheinbar verläuft…

Prof. Dr. Klaus Kreiser

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