Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Vom Sklaven zum Finanzmagnaten

Die Anfänge des europäischen Bankwesens

Vom Sklaven zum Finanzmagnaten
Geld regiert die Welt, sagt man heutzutage. Im antiken Athen aber sorgte Grundbesitz für soziale Anerkennung und politischen Einfluß, während Finanzgeschäfte als zweitklassig galten. Pasion war der erste, der diese Deklassierung überwand – auch mit Hilfe dankbarer Klienten.

Im Jahre 370 v. Chr. starb Pasion, einer der reichsten Bürger von Athen, im Alter von etwa 60 Jahren. Bei seinem Tod hinterließ er ein riesiges Vermögen. Erworben hatte er es zu einem großen Teil mit Bankgeschäften. In diesem bis dahin wenig entwickelten Gewerbe setzte er dank seines ökonomischen Sachverstands, seiner Cleverness und Kreativität und auch dank einer gehörigen Portion an Risikobereitschaft und Glück Maßstäbe. Es ist daher wohl keine Übertreibung, wenn man Pasion als den Protagonisten der europäischen Bankgeschichte bezeichnet. Eine solche Karriere war Pasion freilich nicht in die Wiege gelegt worden. Ganz im Gegenteil: Als junger Mann war er Sklave gewesen, und als solcher hatte er auf der rechtlichen und sozialen Skala in Athen ganz unten gestanden. Es ist nicht bekannt, ob Pasion bereits von Geburt an diesen Status hatte oder ob er, wie es in Griechenland häufig vorkam, durch Kriegsgefangenschaft zum Sklaven geworden war. Jedenfalls hatte er mit seinem Besitzer ein relativ günstiges Los gezogen. Es handelte sich bei diesem um einen Athener namens Antisthenes, der seinen Lebensunterhalt mit Geldgeschäften verdiente. Von welcher Art sie gewesen sind, teilen die Quellen nicht mit. In der Hauptsache aber dürfte Antisthenes mit Münzprüfung und Geldwechsel befaßt gewesen sein. Das waren im antiken Griechenland sehr wichtige Dienstleistungen, seitdem im Laufe des 7. Jahrhunderts v. Chr. die Münze als Zahlungsmittel eingeführt worden war und die bis dahin praktizierte Natural- und Tauschwirtschaft abgelöst hatte. Allerdings war Griechenland weit davon entfernt, eine einheitliche Währungsunion zu sein. Vielmehr hatte jede Stadt ihr eigenes Geldsystem, und jede Stadt legte für sich den sogenannten Münzfuß fest, das heißt das verwendete Metall, das Gewicht und den Feingehalt. Wollte man in einer fremden Stadt liquide sein, so führte den Besucher der erste Weg zu einem der professionellen Geldwechsler, der ihm seine Devisen in die einheimische Währung umtauschte. Ebenso wurde der Finanzexperte konsultiert, wenn man sicher gehen wollte, daß die Münzen echt waren – nicht nur, weil private Fälscher ihr Unwesen trieben, sondern auch deswegen, weil manche Städte, wie zum Beispiel Phokaia an der Westküste Kleinasiens, sich nicht an das ungeschriebene Gesetz hielten, Münzen von möglichst guter Qualität zu prägen. Vorbildlich waren in dieser Hinsicht allerdings die Athener, deren Tetradrachmen (die geläufigsten Großmünzen im Wert von vier Drachmen) einen Feingehalt von nahezu 100 Prozent Silber aufwiesen. Allzu repräsentativ wird man sich die Wechselbüros eines Antisthenes oder seiner Kollegen nicht vorzustellen haben. Meistens reichte ihnen für die Abwicklung ihrer Transaktionen ein einfacher Tisch, griechisch trápeza genannt, nach welchem die griechischen Bankiers die offizielle Berufsbezeichnung Trapeziten trugen. Gerne hielten sie sich in der Nähe von Tempeln auf. Das lag zum einen daran, daß hier immer ein reger Publikumsverkehr herrschte. Zum anderen aber hatten die antiken Tempel für die Entwicklung der Finanzbranche eine Art von prototypischer Funktion. Schon lange vor der Zeit Pasions trugen die Menschen ihr Erspartes oder wertvolle Gegenstände in die Tempel und vertrauten sie dort der Obhut der Priester an – oder besser der von den Priestern repräsentierten Götter, die man weder für fähig noch für willens hielt, das Vertrauen der Kundschaft zu mißbrauchen. Und es kam ein ganz praktischer Grund hinzu: Die Tempel mit ihren schweren Quadersteinen waren einfach viel massiver gebaut als die meisten Wohnhäuser und insofern auch als sicherer Geldspeicher viel besser geeignet. Manche Priester zeigten sich bereits so geschäftstüchtig, daß sie Geld für sich arbeiten ließen, indem sie es an Interessenten verliehen. Dabei bedienten sie sich allerdings nicht der Einlagen ihrer Kunden, sondern verwendeten die Einkünfte aus den eigenen Tempelgütern, wobei man, wie es etwa auf Delos der Fall war, einen stolzen Zinssatz von 10 Prozent erhob. Neben den priesterlichen Bankiers gingen im Umfeld der Tempel aber auch die gewerblichen Geldwechsler ihrem Geschäft nach. Das war auch noch zu Zeiten Jesu Christi so, der, wie einer bekannten Episode in den Evangelien zu entnehmen ist, auf ziemlich drastische Weise den Jahwe-Tempel in Jerusalem reinigte, indem er die Wechseltische umwarf und die Wechsler selbst aus dem Tempel vertrieb. Der Sklave Pasion muß seinem Patron Antisthenes und dessen Partner Archestratos gute Dienste geleistet haben. Jedenfalls wurde er im Alter von etwa 30 Jahren freigelassen. Das Bankgeschäft ließ Pasion jedoch nicht mehr los. Er hatte sich bei seinen beiden Lehrmeistern offenbar zu einem echten Finanzexperten entwickelt. Nur so läßt es sich erklären, daß ihm Antisthenes ungefähr zur gleichen Zeit die Leitung der Firma übertrug. Vom rechtlichen Standpunkt aus war Pasion jetzt ein metoikos, wörtlich übersetzt ein „Mitwohner“. So nannten die Athener die dauerhaft in der Stadt ansässigen Fremden, aber auch freigelassene ehemalige Sklaven. An den den Bürgern zustehenden politischen Rechten hatten die metoikoi keinen Anteil. Im Gegensatz zu den Bürgern mußten sie Steuern zahlen, und vor allem durften sie keinen Grundbesitz erwerben. So blieben sie von dem Haupterwerbszweig im antiken Griechenland, der Landwirtschaft, ausgeschlossen. Statt dessen waren sie in Handel und Handwerk tätig, oder auch, wie Pasion, in Geldgeschäften. Tatsächlich waren die meisten bekannten Trapeziten Freigelassene, Fremde oder sogar Sklaven. Viele von ihnen brachten es zu beachtlichem Reichtum. Gleichwohl blieb ihnen die soziale Akzeptanz häufig versagt. Auch im demokratischen Athen herrschte eine Mentalität vor, die von aristokratisch-elitären Prinzipien bestimmt war. Wer es nötig hatte, für seinen Lebensunterhalt einer gewerblichen Arbeit nachzugehen, anstatt von den Renditen oder Pachterträgen der großen Landgüter zu leben, wie die athenische Elite, galt als gesellschaftlich deklassiert. Bei Pasion scheint das anders gewesen zu sein. Ihm widerfuhr, wohl um das Jahr 386 v. Chr., eine besondere Ehre: Der ehemalige Sklave wurde mit dem Bürgerrecht von Athen ausgezeichnet. Das war eine außergewöhnliche Anerkennung seiner Leistungen als Geschäftsmann und Bankier – und zugleich wohl auch eine diskrete Geste der Dankbarkeit von Seiten führender Politiker, denen Pasion aus mancher finanzieller Bedrängnis geholfen hatte. Der prominenteste Politiker auf der Liste der Klienten des Pasion war Timotheos, dessen unbestreitbare Verdienste um den athenischen Staat in einem bemerkenswerten Mißverhältnis zu seinen Fähigkeiten standen, seine eigenen Finanzen in Ordnung zu halten. Einmal, so wird überliefert, mußte dieser Timotheos seinen Bankier Pasion bitten, ihm mit Teppichen, Mänteln und Silbergeschirr auszuhelfen, damit der Politiker auswärtige Staatsgäste würdig empfangen konnte.

Prof. Dr. Holger Sonnabend

Anzeige
DAMALS | Aktuelles Heft
Bildband DAMALS Galerie
Der Podcast zur Geschichte

Geschichten von Alexander dem Großen bis ins 21. Jahrhundert. 2x im Monat reden zwei Historiker über ein Thema aus der Geschichte. In Kooperation mit DAMALS - Das Magazin für Geschichte.
Hören Sie hier die aktuelle Episode:
 
Anzeige
Wissenschaftslexikon

Film|be|richt  〈m. 1〉 durch Filmaufnahmen veranschaulichter Bericht

PE  〈Chem.; Zeichen für〉 Polyethylen

Oxal|säu|re  〈f. 19; unz.; Chem.〉 einfachste aliphatische Dicarbonsäure, in Form der Salze im Pflanzenreich weitverbreitet; Sy Kleesäure … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige