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Von Azimut bis Zenit

Arabische Astronomie

Von Azimut bis Zenit
Jedem Astronomen und Himmelsfreund sind die Fachausdrücke Zenit, Nadir, Azimut und Sternnamen wie Deneb, Atair, Rigel, Beteigeuze geläufig – all dies sind Bezeichnungen arabischer Herkunft. Die Araber müssen also in der Geschichte der Astronomie eine so bedeutende Rolle gespielt haben, dass ihre Spuren bis heute sichtbar sind.

Die Araber sind in die Weltgeschichte im 7. Jahrhundert eingetreten mit der Verkündung der neuen Religion des Islam durch den Propheten Mohammed (gest. 632) und deren anschließender Verbreitung über die Arabische Halbinsel und weiter durch den Vorderen und Mittleren Orient und entlang der Südküste des Mittelmeers nach Nordafrika, auf die Iberische Halbinsel bis zu den Pyrenäen, nach Sizilien und Süditalien. In den neu eroberten Ländern des Vorderen Orients, in Ägypten, Syrien und Mesopotamien, kamen die Araber in Kontakt mit den dort noch gepflegten Elementen antiker und persischer Kultur und Wissenschaft.

Die Araber hatten in ihrer stark von den Naturgewalten abhängigen Lebensform über die Jahrhunderte hinweg eine sehr detaillierte Naturbeobachtung entwickelt, die sich auch auf die Himmelserscheinungen erstreckte. Sie beobachteten die Auf- und Untergänge der Fixsterne und leiteten aus deren Regelmäßigkeit Schlüsse auf das Eintreten klimatischer und saisonaler Phänomene, auf Hitze- und Kälteperioden, Regen- und Trockenzeiten ab. Bei ihren nächtlichen Wanderungen in der Wüste orientierten sie sich nach den Sternen. So entstand eine Art volkstümlicher arabischer Himmelskunde, die von Historikern und Philologen gesammelt und veröffentlicht wurde. Damit war ein Kernwissen angelegt, das später die Aufnahme der fremden antiken Wissenschaft gewissermaßen vorbereitete und erleichterte.

Was Europa seit dem Mittelalter als „arabische Wissenschaft“ (doctrina Arabum) kennt, nahm seinen Ausgang im 8. Jahrhundert im Vorderen Orient. Hier wurden die Araber mit den Errungenschaften der Griechen bekannt. Zahlreiche Texte aus der griechischen Mathematik, Astronomie und Astrologie wurden zunächst wohl aus dem Mittelpersischen, vereinzelt auch aus dem Indischen, dann aber hauptsächlich aus dem Griechischen ins Arabische übersetzt. Dieses durch die Übersetzungen erworbene griechische Wissen bildete die Grundlage für die Entstehung der arabischen Astronomie, die im Gegensatz zu der volkstümlichen Himmelskenntnis der alten Araber eine naturwissenschaftliche Astronomie wurde.

Darüber hinaus scheinen sich auch einige Artefakte aus der Antike (Himmelsgloben, Astrolabien, Sonnenuhren) bis in die islamische Zeit erhalten zu haben. Berühmt ist die Kuppel des Caldariums im Bad des Wüstenschlosses von Qusair Amra (östlich von Amman in Jordanien), das unter Kalif al-Walid I. (705 – 715) erbaut wurde. In dieser Kuppel ist die sichtbare Hälfte des Sternhimmels nebst einigen Hauptkreisen als Fresko abgebildet, offenbar nach einem spätgriechischen Himmelsglobus. Die vermutlich arabischen Künstler, die selbst nicht astronomisch gebildet waren, haben dabei allerdings den Himmel und die Sternbilder so auf die konkave Innenfläche der Kuppel übertragen, wie sie sie auf der konvexen Außenseite des Globus vorfanden, also entgegengesetzt zu dem natürlichen Anblick am Himmel.

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Die frühe Phase der Übernahme des antiken Guts durch die Araber lässt sich im Einzelnen nicht mehr verfolgen. Immerhin haben wir die sichere Angabe, dass der Kalif al-Mansur bei der Gründung der Residenz Bagdad 762 eine Konferenz von Astrologen einberief, die den günstigsten Zeitpunkt für die Grundsteinlegung berechnen sollten. Zu dieser Zeit muss es also bereits Astronomen gegeben haben, die die dafür nötigen Kenntnisse besaßen und die entsprechenden Verfahren beherrschten. Von einigen der beteiligten Astronomen/Astrologen haben sich zudem Schriften erhalten. Es muss also auch die einschlägige Terminologie damals bereits, zumindest in einer Frühform, vorhanden gewesen sein.

Die Übersetzungsbewegung erfasste nicht nur viele kleinere Schriften der Griechen, sondern auch so große Hauptwerke wie die „Elemente“ von Euklid (die Mathematik war ja stets ein unerlässliches Hilfsmittel der Astronomie!) und den „Almagest“ des Ptolemaios, von dem sogar nacheinander mindestens drei arabische Übersetzungen angefertigt wurden (von denen zwei noch heute in Handschriften erhalten sind).

Die Pflege der Wissenschaften war jedoch von Beginn der arabischen Eroberung an nicht eine Sache der Araber allein; daran beteiligt waren ebenso Angehörige aller Völkerschaften des gesamten Reichs. Wenn wir bis heute in Europa von arabischer Wissenschaft und arabischer Astronomie sprechen, beruht dies darauf, dass in Europa vom späten 10. bis ins 13. Jahrhundert viele Schriften aus verschiedenen Wissenschaftsfeldern aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt wurden und diese Wissenschaften infolgedessen als „arabisch“ angesehen wurden. Das Arabische war bis in das 13. Jahrhundert die dominierende Sprache der islamischen Reiche gewesen, sowohl in religiös-theologischen Dingen als auch in den Wissenschaften, ähnlich dem Latein im mittelalterlichen Europa. Heute kennen wir diese Zusammenhänge besser und sprechen daher eher von der arabisch-islamischen Wissenschaft. In diesem Artikel belassen wir es der Einfachheit halber bei der eingebürgerten Bezeichnung „arabische Astronomie“ und „den Arabern“; dabei sollte man sich aber stets dessen bewusst sein, dass die entsprechenden Gelehrten nicht nur Araber, sondern auch Türken, Perser, Turkmenen oder Nordafrikaner gewesen sind.

Prof. Dr. Paul Kunitzsch

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