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Wie aus Streit Ordnung entstand

Staufer und Welfen

Wie aus Streit Ordnung entstand
Lange wurde die Epoche des deutschen Hochmittelalters auf den Konflikt zwischen Staufern und Welfen reduziert. Es schien, als ob die Vettern Friedrich I. Barbarossa (gest. 1190) und Heinrich der Löwe (gest. 1195) alles unter sich ausmachten.

Nach langer Kooperation erschütterte der Zwist zwischen Kaiser Friedrich I. und Herzog Heinrich das ganze Reich. Der Sturz Heinrichs des Löwen 1180 wurde zum Triumph kaiserlichen Durchregierens. Damals, so hieß es lange, hätten die Prinzipien des Lehnsrechts gegen den Übermut eines Vasallen gesiegt. Der Konflikt war 1125 nach einer umstrittenen Königswahl ausgebrochen. Dann vererbte er sich offenbar von Generation zu Generation, wurde zum Schicksal jedes Staufers und jedes Welfen. Erst Kaiser Friedrich II. (gest. 1250) und Herzog Otto das Kind (gest. 1252) legten den Konflikt ihrer Väter 1235 bei.

„Hie Welf – hie Waibling!“ (Waibling = Staufer) wurde zum polarisierenden Schlachtruf einer Epoche. Noch die Nachgeborenen arbeiteten sich daran ab. In den italienischen Städten des Spätmittelalters standen sich Guelfen und Ghibellinen feind-selig gegenüber. Dass die einen im 12. und 13. Jahrhundert angeblich papst-, die anderen kaisertreu gewesen waren, war bald vergessen. Der alte Zwist großer Fürsten aus dem Norden wurde auf den kommunalen Bühnen des Südens weiter gespielt.

Die Schatten der Geschichte erfassten auch das neuzeitliche Deutschland. Im wilhelminischen Kaiserreich wurden die Hohenstaufen zu Ahn‧herren der Hohenzollern. Zwei schwäbische Schicksalsburgen begegneten sich in deutscher Sendung. Die Reichsgründung von 1871 kam ohne die Welfen zustande, denen führende Historiker Verrat an Kaiser und Reich bescheinigten. In seinen Erinnerungen prangerte Otto von Bismarck die welfische Fahnenflucht an: „Für die welfischen Bestrebungen ist für alle Zeit ihr erster Merkstein in der Geschichte, der Abfall Heinrichs des Löwen vor der Schlacht von Legnano, entscheidend, die Desertion von Kaiser und Reich im Augenblick des schwersten und gefährlichsten Kampfes, aus persönlichem und dynastischem Interesse.“ Abschätzig cha‧rakterisierte Adolf Hitler in seinen Tischgesprächen Heinrich den Löwen als „Kleinsiedler“, der nicht das „Format der deutschen Kaiser“ gehabt hätte. Für das „Unternehmen Barba-rossa“, den Überfall auf die Sowjetunion 1941, musste der Staufer seinen Namen hergeben.

Heute ist es um solche Indienstnahmen still geworden. Doch um die Beurteilung der Konflikte zwischen Staufern und Welfen bemühen sich die Historiker noch immer. Sie stellen neue Fragen: Darf man Geschichte auf den Konflikt zweier Dynastien reduzieren? Gab es Normen, nach denen man zwischen Treue oder Verrat, zwischen Gehorsam oder Desertion unterschied? Wussten die Staufer und Welfen überhaupt, dass sie Staufer und Welfen waren und sich wie Staufer und Welfen verhalten mussten?

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In den letzten Jahren rückte die historische Forschung diese Themen in neues Licht. Jetzt lösen sich mit den klaren Dynastien die eindeutigen Gegensätze auf. Jetzt wird deutlich, dass Friedrich Barbarossa Heinrich den Löwen nicht mit einer präzisen Reichslehnsordnung unter dem Arm aburteilen ließ, sondern dass aus ihrem Konflikt erst neue Ordnung im Reich entstand. Jetzt werden sogar die Handlungsspielräume der großen Herrscher beschnitten. Friedrich Barbarossa und Heinrich der Löwe erscheinen eher als Getriebene der Fürsten denn als souveräne Akteure. Jetzt sind es die Fürsten, die als Sieger aus den Konflikten hervorgingen. Diese modernen Forschungsdebatten sollen hier skizziert werden.

Im 12. Jahrhundert sicherten sich Staufer und Welfen Kenntnisse über die Geschichte ihrer Vorfahren. Die Staufer führten sich bis zu Herzog Friedrich I. von Schwaben (1079–1105) zurück, die Welfen bis zu Graf Welf (gest. vor 825), dem Vater der karolingischen Kaiserin Judith, und darüber hinaus bis zu den antiken Trojanern. Mit Herzog Friedrich I. von Schwaben und Herzog Welf IV. von Bayern (1070 –1101) hatten zwei „Gründerväter“ innerhalb von zehn Jahren ihre Herzogswürden erhalten. Ihre Nachkommen lassen sich aber nicht so einfach in zwei feind‧liche Lager spalten. Phasen politischer Gegensätze wechselten sich mit Zeiten enger Kooperation ab.

Die „Welfin“ Judith heiratete den „Staufer“ Herzog Friedrich II. von Schwaben. 1152 stieg ihr Sohn als Friedrich I. Barbarossa zum König, später zum Kaiser auf. Er war ein Eckstein beider Familien. Wie tragfähig diese genetische Mixtur wurde, zeigt die jahrzehntelange enge Zusammenarbeit Friedrichs mit seinem Vetter Heinrich dem Löwen. Ihr späterer Zwist führte zwar zur Absetzung des Löwen als Herzog von Bayern und Sachsen. Doch bald wollten staufisch-welfische Eheschließungen den Dissens wieder heilen. Der gleichnamige Sohn Heinrichs des Löwen heiratete Agnes, eine Nichte Barbarossas und Erbin der staufischen Pfalzgrafschaft bei Rhein. Im Thronstreit mit dem „staufischen“ König Philipp, der 1208 ermordet wurde, nahm sein welfischer Rivale König Otto IV. Phil‧ipps Tochter Beatrix zur Frau…

Prof. Dr, Bernd Schneidmüller

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