Dass Anarchie und Chaos nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs herrschten, wurde in der neueren historischen Forschung eindrucksvoll gezeigt (vgl. DAMALS 4-2015, Seite 50). Der polnische Historiker und Soziologe Marcin Zaremba richtet sein Brennglas auf das Polen von 1944 bis 1947 und sieht eine Gesellschaft in Auflösung und Angst. Dieser „psychischen Atmo‧sphäre“ der Nachkriegszeit möchte er auf den Grund gehen. Dass er sich dabei auf methodischem Neuland wähnt, erstaunt, denn zur Geschichte der Gefühle gibt es inzwischen eine breite englische und deutsche Forschung.
Aus einer Vielzahl von Quellen entwickelt Zaremba ein eindrucksvolles Panorama unterschiedlichster Angstszenarien: von den demoralisierenden Folgen des gerade überstandenen Krieges und der Unsicherheit über die Zukunft des eigenen Landes über die Angst vor den einmarschierenden Rotarmisten und später dem sowjetischen Geheimdienst NKWD bis hin zum Schrecken der allgegenwärtigen Plünderer und Banditen. Armut und Hunger sowie die Abwesenheit zuverlässiger staatlicher Kontrolle taten ein Übriges. Unter dem Druck dieser Verhältnisse reagierten Teile der Bevölkerung mit Panikausbrüchen; auch die schändlichen Pogrome gegen Juden in dieser Zeit deutet der Autor im Kontext dieser „großen Angst“.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger