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Hinter den Türen warten die Gespenster – Das deutsche Familiendrama der Nachkriegszeit

Huber, Florian

Hinter den Türen warten die Gespenster – Das deutsche Familiendrama der Nachkriegszeit

Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: Man blickte auf die Ruinen deutscher Städte, auf Menschen, die abgestumpft und verbissen ihr Überleben organisierten, verzweifelt bemüht, sich selbst und ihre Familien durchzubringen. Verdrängung war das Gebot der Stunde, von den Verbrechen der Nazis wollte niemand gewusst haben. Der große Bruch wurde mit Kontinuität gekittet: In Firmen und Institutionen saßen großteils wieder die alten Funktionsträger.

Im Lauf der 50er Jahre kehrte langsam dann so etwas wie Normalität ein, es gab wieder geregelte Arbeit und, wenn auch zunächst beengten, Wohnraum. Die Suche nach Sicherheit bestimmte aber noch immer das Gefühlsleben der Menschen, und diesen emotionalen Halt sollte die Familie bieten.

Hier setzt das Buch von Florian Huber ein. Der Dokumentarfilmer und Autor wirft einen Blick hinter die verschlossenen Wohnungstüren der deutschen Familien in den 1950er Jahren, mitten hinein in die Herzen der dort Lebenden, und was er findet, ist oft nicht die erhoffte Eintracht, sondern Schweigen und Beziehungslosigkeit, Konflikt und seelische Not. Zwar ist etwa der geliebte Ehemann endlich nach Jahren der Ungewissheit aus der Gefangenschaft zurückgekehrt, doch nach der ersten Wiedersehensfreude machte sich das Gefühl von Entfremdung breit: Der psychisch und physisch schwer gezeichnete Soldat schwieg, fühlte sich entwurzelt und überflüssig, seine durch den Krieg notgedrungen selbständig gewordene Ehefrau kannte ihren Mann nicht wieder und wollte sich ihm auch nicht einfach unterordnen. Täterschaft war kein Thema: Familienmythen vom unschuldigen Vater, der nur seinen Befehlen gehorcht habe, wurden entwickelt.

Die Kinder wiederum akzeptierten den fremden Mann nicht als Vater, suchten nach Autoritäten und fanden keine Orientierung. Und schließlich: Unter dem Anschein der Biederkeit brodelte es, „Halbstarke“ probten den Aufstand, gaben sich dem Reiz des Unbekannten, des Verbotenen hin. Sie wurden zum Bürgerschreck der 50er Jahre.

In der dichten Schilderung dieser Gefühlslagen von Männern, Frauen, Kindern und Jugendlichen liegt die Stärke des Buchs. Auf der Grundlage von einigen ausgewählten Lebenserinnerungen und Briefen der Zeitgenossen, wie sie das Tagebucharchiv in Emmendingen bei Freiburg im Breisgau überliefert, kollagiert Huber Beschreibungen und Zitate wie Filmszenen geschickt zu einem facetten‧reichen Bild der Familie dieser Zeit. Manchmal unterlaufen ihm allerdings allzu plakative Formulierungen. So wurde nicht etwa allen Frauen „der Krieg aufgezwungen“, gab es doch auch unter ihnen überzeugte Nationalsozialistinnen, die Hitlers Überfälle auf andere Staaten begrüßten. Dennoch: ein lesenswertes, spannendes Buch auch und gerade für die Nachgeborenen.

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Rezension: Dr. Heike Talkenberger

Huber, Florian
Hinter den Türen warten die Gespenster – Das deutsche Familiendrama der Nachkriegszeit
Berlin Verlag, Berlin 2017, 347 Seiten, Buchpreis € 22,00
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