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Fritz Benscher – Ein Holocaust-Überlebender als Rundfunk- und Fernsehstar in der Bundesrepublik

Meyer, Beate

Fritz Benscher – Ein Holocaust-Überlebender als Rundfunk- und Fernsehstar in der Bundesrepublik

Während Hans Rosenthal auch heute noch besonders bei älteren Personen als Showmaster von Sendungen wie „Dalli Dalli“ bekannt ist, verschwand der Name Fritz Benscher weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis. Dabei ist die Vita Benschers, wie Beate Meyer darlegt, mindestens genauso eindrücklich. Nur gab es bislang niemanden, der sie erzählte. Meyer hat dies mit der Biographie „Fritz Benscher. Ein Holocaust-Überlebender als Rundfunk- und Fernsehstar in der Bundesrepublik“ nun getan. Besonders ist die Geschichte Benschers vor allem deshalb, weil dieser als Jude in den Jahren und Jahrzenten nach dem Krieg diejenigen Leute amüsierte, die eben noch als Tätervolk „auf der anderen Seite des Stacheldrahtes“ gestanden hatten. Als Kabarettist, Schauspieler und Quizmaster brachte er im Radio und Fernsehen sein Publikum zum Lachen, obwohl er im NS-Regime fast zwei Jahre in Konzentrationslagern verbringen musste. Schon dies unterschied ihn von Rosenthal, der, ebenfalls jüdischer Herkunft, die Jahre versteckt in Deutschland überstanden hatte. Im Gegensatz zu Rosenthal, der seine jüdische Identität später öffentlich kaum thematisierte, war Benscher nach 1945 zudem offener im Umgang mit seiner Herkunft und Vergangenheit.

Meyer, die in ihrer Biographie strikt chronologisch vorgeht, beschreibt zunächst Benschers Leben bis 1943, als ihn die Nationalsozialisten aus seiner Heimatstadt Hamburg nach Theresienstadt deportierten. Von dort kam Benscher Ende September 1944 für einige Tage ins KZ Auschwitz, wo er den Psychiater Viktor Frankl kennen lernte. Dieser wurde später mit seinem Werk „… trotzdem Ja zum Leben sagen“ über seine Erfahrungen in den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern bekannt. „Ja zum Leben“ sagte während der unvorstellbaren Leiden in den Lagern auch Benscher, der Frankl nach dessen Angaben wieder mit Hoffnung erfüllte und ihm damit gar das Leben rettete. Mit Glück und eigenem Zutun – Benscher fälschte bei den Ankünften in den Lagern sein Geburtsdatum, was ihn als fast 40-jährigen vermutlich vor Schlimmerem bewahrte – überlebte auch Benscher die Lagerzeit. Dabei halfen ihm wohl auch seine lebensfrohe Einstellung und sein künstlerisches Talent. Benscher trat während seiner Lagerhaft bei Theateraufführungen auf, so zum Beispiel im Sommer 1944 in Theresienstadt, als das Rote Kreuz das nationalsozialistische „Vorzeigelager“ besuchte und sich von den Inszenierungen der NS-Verantwortlichen täuschen ließ.

Benscher begann nach Krieg, Verfolgung und Internierung bei Radio München, dem späteren Bayerischen Rundfunk, eine Karriere, die ihn in den folgenden Jahren einem breiten Fernsehpublikum bekannt machte. Meyer beschreibt dabei die, teils antisemitisch motivierte, Ablehnung, die Benscher in der Adenauer-Ära entgegenschlug. Benscher zeigte sich in Kunst und Öffentlichkeit politisch, er wollte seine Meinung kundtun und die junge deutsche Nachkriegsdemokratie mit Leben füllen. So sprach er sich gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik aus und legte sich mit konservativ-rechten Kreisen der Gesellschaft an. Sogar Redeverbote brachten ihm seine politischen Meinungsäußerungen ein. Aufhalten konnten diese Widerstände ihn allerdings nicht, stattdessen gelang ihm in den 1960er Jahren der berufliche Durchbruch. Sendungen wie „Nimm’s Gas weg“ machten ihn über die bayerischen Landesgrenzen hinaus bekannt.

Die Haftzeit hatte ihn dabei zeitlebens nicht losgelassen – Angstzustände und Schlaflosigkeit verfolgten ihn ständig. 1970 verstarb Benscher im Alter von 65 Jahren an einem Herzinfarkt. Die deutsche Medienlandschaft der Nachkriegszeit hatte er, wie Meyer darlegt, entscheidend mitgeprägt. Ein Kollege beim Bayerischen Rundfunk schrieb später über Benscher: „Sein Leben war ein ständiger Bühnenauftritt (…) Ein echter Komödiant, der lebte durch die Resonanz des Publikums. Kein Ensemble-Spieler indes, er war Solist. Mehr noch: er war selbst Ensemble.“ Dass man in das Leben und Schicksal dieses eindrucksvollen Menschen nun Einblick erhält, ist dem Buch Beate Meyers hoch anzurechnen.

Rezension: Darius Muschiol

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Meyer, Beate
Fritz Benscher – Ein Holocaust-Überlebender als Rundfunk- und Fernsehstar in der Bundesrepublik
Wallstein Verlag, Göttingen 2017, 272 Seiten, Buchpreis € 24,90
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