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Der Pakt – Hollywoods Geschäfte mit Hitler

Urwand, Ben

Der Pakt – Hollywoods Geschäfte mit Hitler

Joseph Goebbels war entzückt von Kinderstar Shirley Temple. „Ein herrliches Kind“ war sie aufgrund ihres Auftretens in dem Film „Fräulein Winnetou“ (1940) für den Propagandaminister. Auch „der Führer“ konnte von manchen Produkten der Traumfabrik im fernen Kalifornien nicht genug bekommen. Hitler liebte Micky Maus und das Duo Stan Laurel und Oliver Hardy, war fasziniert von King Kong, während ihm allerdings Tarzan mit der Beziehung des Affenmenschen zu einer weißen Frau aus ideologischen Gründen unerträglich war.

Eine der Lieblingsschauspielerinnen des Diktators aber war Greta Garbo. Ihre Glanzrolle in „Die Kameliendame“ schlug die gesamte Führungsriege Nazi-Deutschlands in Bann. Pflichtschuldig notierte Goebbels in seinem Tagebuch: „Und alles versinkt vor der großen, einsamen Kunst der göttlichen Frau. Wir sind auf das Tiefste ergriffen und benommen. Man schämt sich der Tränen nicht. Der Führer begeistert.“

Filme – gerade auch amerikanische – waren ein Lebenselixier für Hitler, und fast jeden Abend gab es (mindestens) eine Vorführung im Privatkino der Reichskanzlei oder auf dem Obersalzberg. Für seine Entourage war es eine Beglückung – während dieser knapp zwei Stunden blieben ihnen Hitlers Monologe erspart. Mit dem Faible für US-Spielfilme standen die Nazi-Größen aber nicht allein; es wurde von der deutschen Bevölkerung rundum geteilt. In deutschen Kinos wurden in den 1930er Jahren bis zu 60 amerikanische Produktionen pro Jahr aufgeführt, viele von ihnen waren erfolgreicher als die von Goebbels protegierten einheimischen Produktionen. Den Rekord hält das Musical „Broadway Melody“ von 1936, das sich 129 Wochen Laufzeit in deutschen Kinos erfreute.

Ben Urwands Buch „Der Pakt“ trägt im Original den Titel „The Collaboration“. Unterstellt wird eine düstere Allianz der (meist jüdischen) Studiobosse mit Hitlers Regime, wenn nicht gar so etwas wie eine Mittäterschaft bei der Indoktrinierung des Publikums bzw. der Volksgenossen. Das klingt sensationell, ist aber weit überzogen. Filme waren Business, die Verantwortlichen waren Geschäftsleute, und Deutschland war einer der wichtigsten Märkte. Louis B. Mayer, der Gründer und Direktor von Metro-Goldwyn-Mayer (MGM), brachte es auf den Punkt, als er erklärte, dass „wir Interessen in Deutschland haben; ich repräsentiere die Filmindustrie hier in Hollywood; wir stehen dort im Austausch, wir haben phantastische Einkünfte aus Deutschland.“

So war man den Machthabern um des Umsatzes willen wiederholt wohlgefällig, schnitt auf Intervention deutscher Kreise diejenigen Szenen aus einem Film heraus, die das deutsche Publikum oder deren Regierung hätten verstören können. Und dies keineswegs nur zur Nazi-Zeit: „Im Westen nichts Neues“ (1930) durchlief verschiedene Fassungen aufgrund von Bedenken der Verantwortlichen der Weimarer Republik. Übrigens trägt auch heute Hollywood erkennbar den Sensibilitäten der Herrscher in einem der wichtigsten Märkte in wohl vergleichbarer Weise Rechnung: denen der Einparteiendiktatur in China.

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Die oft langatmigen Inhaltsschilderungen diverser Filme lassen die Lektüre des Buchs über Strecken mühselig werden. Auch zahlreiche kleine Fehler sprechen nicht für ein sorgfältiges Lektorat: „John Brown’s Body“ beispielsweise ist kein Gewerkschaftslied, sondern war das bekannteste Marschlied im Amerikanischen Bürgerkrieg; das mittelamerikanische Land heißt El Salvador und nicht San Salvador.

Bedauerlicher ist, dass ein wesentlicher Aspekt der historischen Bedeutung Hollywoods um 1940 kaum analysiert wird: Die Filmemacher waren enge Verbündete Präsident Franklin D. Roosevelts, der früher als andere westliche Staatsmänner von der Notwendigkeit eines Kriegs gegen Hitler-Deutschland überzeugt war (zu diesem Thema und dem „Hollywood-Erfinder“ Carl Laemmle siehe DAMALS 4-2017, Seite 45). Hollywood, das zu Hitlers Entertainment so erfolgreich beitrug, wurde schnell zur effektivsten Propagandamaschine der Alliierten – und wer heute etwa Filme wie Brad Pitts „Inglourious Basterds“, „Fury“ und neuerdings „Allied“ sieht, kann sich davon überzeugen, dass das damalige Deutschland-Bild auch im 21. Jahrhundert noch immer reproduziert wird.

Rezension: Ronald D. Gerste

Urwand, Ben
Der Pakt – Hollywoods Geschäfte mit Hitler
Konrad Theiss Verlag, Darmstadt 2017, 320 Seiten, Buchpreis € 29,95
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