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Europa gegen die Juden – 1880 –1945

Aly, Götz

Europa gegen die Juden – 1880 –1945

Götz Aly hat sich seit Jahrzehnten mit den deutschen Grundlagen und Folgen der NS-Verbrechen auseinandersetzt. Seine zahlreichen Bücher haben eines gemein: Sie erschließen fast immer neue Quellen und spitzen diese zu manchmal recht polemischen, zumindest einseitigen Grundthesen zu. Der Querleser als Querdenker lässt auch in seinem neuen Buch keinen Zweifel daran, dass der Genozid an den europäischen Juden ohne die „Tatherrschaft der Deutschen“ nicht denkbar war, doch weitet er diesmal den Blick auf Europa. Ganz Europa? Es ist das im Zweiten Weltkrieg deutsch beherrschte Europa, und in diesem sind es wiederum die Zentren des Genozids. Das ist schon geographisch weniger, als ein sinnvoller Europa-Begriff ausmacht. In chronologisch vor- und zurückspringenden Kapiteln breitet Aly ein Panorama des Umgangs mit „den Juden“ aus, von Land zu Land, von Episode zu Episode wechselnd. Der Befund ist eindrucksvoll: Auch ohne die später zentral werdenden Deutschen wurden Juden auf unterschiedlichste Weise verfolgt oder zumindest ausgegrenzt: „von unten“, durch Gesetze, religiös, als Intellektuelle oder als Studenten. Aly sprudelt vor Eifer bei der Reihung von Scheußlichkeiten. Neu ist bei ihm eine breite Lektüre zeitgenössischer Publizistik zumal der 1920er Jahre.

Einen entscheidenden Schub, so der Autor, brachten der Erste Weltkrieg, dann aber vor allem die folgenden Nationalstaatsgründungen in Ostmitteleuropa. Nun ging es um mehr oder weniger homogene Nationalstaaten, in denen auch zahlreiche andere neue Minderheiten ausgegrenzt oder zur Emigration angehalten wurden. Nur die Juden hätten keinen benachbarten Nationalstaat gehabt und seien bei ihrer erzwungenen Auswanderung auf besonders heftige Diskriminierung gestoßen.

Die Beobachtung ist nicht neu, trifft aber einen wichtigen Kern. Das weitere Argument: besonders (diese und andere) Juden seien mobil, aufstiegsorientiert gewesen, sozial und wirtschaftlich erfolgreich und hätten daher ihre Verfolgung scheinbar legitimiert. Das ist – wie Aly breit belegt – ein uraltes Argument der Zeitgenossen und war sicherlich ein wichtiger Faktor.

Aber schon die Migration verarmter „Ostjuden“ nach Mittel- und Westeuropa in der Zwischenkriegszeit weist in eine andere Richtung. Es gab viele, regional und national sehr verschiedene Motive für die Ausgrenzung und manifeste Verfolgung von Juden auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Insofern hat Aly recht, dass der Begriff „Kollaboration“ die anderen und genuinen nationalen Motivationen nicht hinreichend reflektiert.

Erst ganz zum Schluss arbeitet Aly auch einige wenige Elemente der Gegenbewegungen heraus, Dänemark, bedingt Belgien – aber auch viele andere Ansätze zum emanzipierten Umgang mit Juden in anderen Ländern. Für dieses Buch gilt wie sonst oft bei Aly: gut geschrieben, verdienstvoll, zugespitzt und damit einseitig, aber dennoch sehr lesenswert.

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Rezension: Prof. Dr. Jost Dülffer

Aly, Götz
Europa gegen die Juden – 1880 –1945
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017, 431 Seiten, Buchpreis € 26,00
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