Angst vor der Rache der Sieger, Sinnverlust, Gefühle der Ausweglosigkeit, Liebe zum „Führer“ oder Scham – vielfältig waren die Motive, weswegen sich Menschen in Deutschland am Ende der Nazi-Herrschaft selbst töteten. Florian Huber, sowohl Sach- als auch Drehbuchautor, führt den Leser zunächst in die Kleinstadt Demmin in Vorpommern, wo zu Kriegsende mindestens 500 Selbsttötungen geschahen. Demmin war kein Einzelfall, Tausende brachten sich allein in Berlin um. In dramatischen Beschreibungen wechselt der Autor die Schauplätze und spürt auf der Grundlage vieler Selbstzeugnisse den Gefühlen von Menschen in der NS-Zeit und zu Kriegsende nach.
Huber entwickelt so ein bedrückendes Panorama der Verzweiflungstaten, bei denen Eltern nicht davor zurückschreckten, ihre kleinen Kinder mit in den Tod zu reißen, beschreibt aber auch die spätere Verdrängung dieses beispiellosen Massenselbstmords. Ärgerlich ist jedoch der pauschale Untertitel „Der Untergang der kleinen Leute 1945“. Auch viele NS-Funktionäre brachten sich um. Und: Selbstzeugnisse zeigen, dass es „kleine Leute“ gab, die das Ende der Nazi-Herrschaft herbeigesehnt hatten und 1945 endlich neuen Lebensmut schöpften.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger