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Die Ordnung des Sozialen – Väter und Familien in der amerikanischen Geschichte seit 1770

Martschukat, Jürgen

Die Ordnung des Sozialen – Väter und Familien in der amerikanischen Geschichte seit 1770

Die Väter sind – in den USA noch mehr als in Deutschland – zum Thema gesellschaftlicher Auseinandersetzung geworden: Alleinernährer der Familie müssen sie nicht mehr sein, im Haushalt sollen sie aber mehr tun und sich liebevoll um die Kinder kümmern – und das trotz zunehmender Anforderungen im Beruf. Bei dieser Diskussion geht es gleichzeitig um die Leistungsfähigkeit der Familie, die als Basis eines funktionierenden Gemeinwesens gedacht wird. Dabei wird indirekt seit 1770 ein Modell der Kleinfamilie als Ideal vorausgesetzt, obwohl nie eine Mehrheit der Bevölkerung in dieser normativ gewünschten Familie lebte.

Jürgen Martschukat greift dieses Paradox in seinem Buch „Die Ordnung des Sozialen“ auf und mustert in zwölf Kapiteln unterschiedliche Familienformen in Nordamerika durch. Er fragt, wie der real anwesende, der abwesende oder auch der nur vorgestellte ideale Vater erlebt wurden. Er stellt uns etwa die milde Strenge der patriarchalischen Gründerväter der amerikanischen Republik bis 1840 vor und dann die Kritik an diesen engen Verhältnissen am Beispiel der religiös inspirierten Kommune „Oneida“ im Bundesstaat New York, die die freie Liebe leben wollte. Ihre Mitglieder hofften, eine noch liebevollere, Frauen weniger einschränkende Form der Familie gefunden zu haben, die Gegner wähnten dagegen gesellschaftszerstörende Wirkungen. Selbstkontrolle über Leidenschaften und Sexualität sowie die Geschlechterverhältnisse zwischen Männern und Frauen wurden also immer mit Bezug auf die ganze Gesellschaft diskutiert.

Dabei wurde auch die Hautfarbe zu einem zentralen Argument: (Ehemaligen) Sklaven sprach der von den Weißen dominierte Familiendiskurs generell die Fähigkeit zur Familienbildung ab, insbesondere den Männern. Wie sollten denn „defizitäre Subjekte“, die man vorher zu Arbeit und Disziplin hatte prügeln müssen, Familien „führen“ können? Martschukat verwendet hier wie bei weiteren Kapiteln Selbstzeugnisse der Betroffenen. So wird an dem zähen Ringen eines Schwarzen um die Zusammenführung seiner an verschiedene Herren verkauften Familienmitglieder sichtbar, dass er sehr wohl versuchte, „Vater“ im besten Sinn zu sein. Das hinderte die herrschenden Weißen nicht, im 20. Jahrhundert erneut durchgehend das Bild einer Unfähigkeit der Schwarzen zum Vatersein aufrechtzuerhalten.

Auch der „Frontier-Mythos“, der die heroischen Taten bei der Eroberung des „Wilden Westens“ verklärte, lässt sich als Geschichte gelingender Vaterschaft erzählen, diesmal aus der Perspektive einer Tochter, die ihren Vater in den Westen begleitete. Zwar galten dort widersprüchliche Anforderungen an Männer als Kämpfer und als Familienernährer. Gewalt und ungeregelte Sexualität werden in der Erzählung zudem ebenso ausgeblendet wie der wichtige Beitrag von Tochter und Mutter zum Haushaltseinkommen: So kann der Zug gen Westen letztlich als Zivilisierung der „Wildnis“ beschrieben werden, dies nicht zuletzt durch die Etablierung von Kleinfamilien, die von Vätern ordnungsgemäß „geführt“ werden. In diesem Zusammenhang wurde übrigens sogar der Vatertag erfunden.

Martschukat führt die Diskussion um Väter und die soziale Ordnung bis hin zu den aktuellen Debatten um die Adoption von Kindern in Familien Homosexueller. Ein brillantes, glänzend geschriebenes Buch, das auch für unsere Diskussion um die Familie viel zu denken gibt.

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Rezension: Prof. Dr. Martin Dinges

Martschukat, Jürgen
Die Ordnung des Sozialen – Väter und Familien in der amerikanischen Geschichte seit 1770
Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2013, 474 Seiten, Buchpreis € 34,90
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