793 ereignete sich der erste schriftlich belegte Überfall der Wikinger: auf das Kloster Lindisfarne in Northumbrien (Ostengland). Als bärtige, starke und blutrünstige Krieger stellt man sich die Wikinger vor, diese zumeist aus Skandinavien stammenden Seefahrer, die Europas Küsten seit dem 8. Jahrhundert in Angst und Schrecken versetzten.
Wie viel mehr man aber inzwischen über Aktivitäten und Kultur der Wikinger weiß und welche Vorstellungen man getrost ins Reich der Phantasie verweisen kann (wie etwa den Hörnerhelm), das kann man auch durch die zahlreiche Hinterlassenschaften der Nordmänner lernen. Ob Runensteine oder Schiffe, Waffen oder Goldschätze: Diese Zeugnisse zeigen ein weit differenziertes Bild von den Wikingern. Nicht mehr nur Krieger und Piraten, sondern auch erfolgreiche Händler und kunstreiche Handwerker waren sie. Und von Grönland aus erreichten sie mit ihren wendigen Schiffen sogar die Küste Neufundlands, an der eine Wikingersiedlung ausgegraben werden konnte.
Wer sich auf die Spuren der Wikinger in Nordeuropa begeben möchte, kann zu einem neuen Führer greifen, der zahlreiche einschlägige Museen und Fundplätze in Norddeutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen vorstellt. Im ersten Teil nimmt das an der Schlei gelegene Haithabu großen Raum ein. Hier erfährt der Leser etwas über die Geschichte dieses bedeutenden Handelsplatzes sowie über das Museum und seine Exponate, unter denen etwa ein 30 Meter langes Kriegsschiff und vier Runensteine sind. In Stralsund kann man im Kulturhistorischen Museum den berühmten Goldschatz von Hiddensee bewundern, für den 600 Gramm reines Gold kunstvoll verarbeitet worden waren.
Wendet man sich dann weiter nach Norden, so kann man sich in Dänemark den fünf Schiffswracks aus Roskilde widmen, in Schweden eine Brücke ins Jenseits, wie sie in Täby erhalten ist, aufsuchen oder in Norwegen die Stabkirche von Urnes bewundern. Besonders eindrücklich sind die weitverbreiteten sogenannten Schiffsetzungen, Steinsetzungen in Form eines Schiffes, die einen Begräbnisplatz mit Brand- oder Urnengräbern umgeben.
Wie heute oft üblich, haben die beiden Autoren zusätzliche Informationen etwa zum Schiffbau, zu einzelnen wichtigen Personen (Harald Blauzahn) oder zur Funktion von Runensteinen als Kästen eingestreut. Das bedeutet aber auch, dass man sich notwendige Hintergrundinformationen mühsam zusammensuchen muss – ein einleitender Text, der wichtige Sachverhalte und Quellentypen erläutert, fehlt. Zu allgemein und dazu nicht auf dem letzten Stand der Forschung sind die zweiseitigen Angaben am Beginn des Führers zu den Fragen, wer die Wikinger waren und was aus ihnen geworden ist. So empfiehlt sich der Band vor allem wegen seiner vielen Hinweise auf zum Teil auch entlegenere und nicht so bekannte Wikinger-Spuren.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger