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Geschichte der islamischen Welt – Von 1900 bis zur Gegenwart

Schulze, Reinhard

Geschichte der islamischen Welt – Von 1900 bis zur Gegenwart

Seit mehr als einer Dekade wird die öffentliche Wahrnehmung vom Islam und von der islamischen Welt durch islamistischen Terror und das apokalyptische Auftreten des „Islamischen Staates“ dominiert. Die Suche nach den komplexen Ursachen für diese Entwicklung stellt vor allem die moderne Islamwissenschaft vor große Herausforderungen. Diesen hat sich nun der an der Universität Bern lehrende Islamwissenschaftler Reinhard Schulze gestellt und seine 1994 erstmals erschienene „Geschichte der islamischen Welt“ grundlegend überarbeitet und erweitert.

In der hervorragenden Einleitung, deren Lektüre unbedingt lohnt, legt Schulze seine theoretische Argumentation dar. Schnell wird deutlich, dass es ihm nicht um eine herkömmliche Geschichte der islamischen Welt seit 1900 geht, sondern um die Integration der islamischen Welt in den Kontext einer globalen Moderne. Das bedeutet, dass der Autor nicht etwa einen „Ausfall“ des Islams bzw. der islamischen Welt aus der Moderne konstatiert, sondern dass er die Geschichte der islamischen Welt als eine „Geschichte des Aufstiegs und Niedergangs der islamischen Öffentlichkeit im Kontext sozialer, politischer und ökonomischer Prozesse der Moderne“ schreibt.

Schulze organisiert sein Material in sieben Kapiteln, die chronologisch die Genese des Nationalstaats im Kontext der kolonialen Moderne (1900 –1945), die Durchsetzung des Interventionsstaats (1945 –1973), die Ablösung säkularer durch islamische Ideologien (1973 –1989) sowie den Zerfall der islamischen Öffentlichkeit (seit 1990) nachzeichnen. Die ersten fünf Kapitel sind überarbeitete Varianten der Ausgabe von 1994, das sechste Kapitel hingegen ist grundsätzlich neu konzipiert.

Während Schulze 1994 noch in Anlehnung an Francis Fukuyamas „Ende der Geschichte“ von einer Symbiose zwischen islamischer Kultur und ziviler Gesellschaft ausging, stellt er 2016 ernüchtert die „Erosion der islamischen Öffentlichkeit“ fest. Letztendlich ist es diese Erosion, die Schulze (im siebten Kapitel) als einen der zentralen Faktoren für das Scheitern des „Arabischen Frühlings“ und den Aufstieg ultraislamischer Bünde, wie etwa den „Islamischen Staat“ im Irak bzw. Syrien sowie Boko Haram in Nigeria, identifiziert. Viele Leser werden vor allem diese beiden Kapitel mit großem Interesse und Gewinn lesen: Schulze gelingt es überzeugend, die kom‧plexen regionalen und globalen Transformationen in einer dichten Erzählung zusammenzuführen.

Leser, die eine leichtverdauliche Einführung erwarten, werden allerdings mit Schulzes anspruchsvoller Geschichte überfordert sein. Der Autor setzt ein beträchtliches ereignisgeschichtliches Vorwissen sowie die Bereitschaft voraus, sich auf eine historisch-geographische Tour de Force einzulassen, in der er zwar erfreulicherweise auch Regionen berücksichtigt, die in der Islamwissenschaft in der Regel wenig beachtet werden (etwa Indonesien oder Zentralasien), aber den Lesern abrupte geographische Sprünge sowie die Verarbeitung zahlloser Eigennamen abverlangt.

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Die bemerkenswerte intellektuelle Synthese und analytische Prägnanz verliert sich teilweise in der Fülle des Materials, und man wünscht sich, dass Schulze seine Argumentation anhand von spezifischen Fallbeispielen detaillierter erläutert hätte. Auch die Belastbarkeit des Begriffes salafiya als „islamische Klassizisten“ für die islamische Welt seit 1900 bietet Anlass zur Diskussion. Genau diese – eine engagierte Diskussion – ist dieser inspirierenden Geschichte der islamischen Welt zu wünschen.

Rezension: Prof. Dr. Tim Epkenhans

Schulze, Reinhard
Geschichte der islamischen Welt – Von 1900 bis zur Gegenwart
Verlag C. H. Beck, München 2016, 767 Seiten, Buchpreis € 34,95
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