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Im Sog der Katastrophe – Lateinamerika und der Erste Weltkrieg

Stefan Rinke

Im Sog der Katastrophe – Lateinamerika und der Erste Weltkrieg

Lateinamerika wird in Darstellungen des Ersten Weltkriegs bestenfalls am Rand erwähnt, weil es militärisch am Konflikt kaum beteiligt war, auch wenn einige Länder der Region von 1917 an gegen die Mittelmächte in den Krieg eintraten. Der Krieg hatte jedoch von Anfang an tiefgreifende Auswirkungen auch auf diesen Teil der Welt, wie Stefan Rinke, einer der führenden deutschen Lateinamerika-Experten, in seinem neuen Buch eindrucksvoll zeigt.

Der Krieg in Europa führte dazu, dass die USA in der west‧lichen Hemisphäre noch mehr Handlungsfreiheit als zuvor erhielten, was vor allem für Mittelamerika von Bedeutung war. Einschneidend waren auch die wirtschaftlichen Folgen: Die britische Blockade der Mittelmächte wirkte sich auch auf die lateinamerikanischen Staaten aus. Diese konnten nun nicht mehr frei mit den Mittelmächten Handel treiben, sondern der wirtschaftliche Austausch wurde vielfachen britischen Kontrollen unterworfen. Dadurch waren die lateinamerikanischen Staaten gezwungen, ihre Exporte auf die Entente und zudem auf kriegswichtige Güter umzustellen. Die USA wurden für viele Länder der Region zum wichtigsten Handelspartner und Kreditgeber.

Rinke nimmt aber auch die mentalen und politischen Folgen des Krieges in den Blick. Lateinamerika nahm über die Medien intensiv am Geschehen teil und wurde überdies zum Ziel eines heftigen Propagandakriegs zwischen den Mächten. Wichtig aber ist, dass sich das Bild Europas bei den intellektuellen Meinungsführern wandelte. Europa erschien nun vielen nicht mehr als das bewunderte Zentrum der Welt und des Fortschritts. Diese Abwertung Europas führte zu einem Legitimationsverlust der lateinamerikanischen Oligarchien, die auf das europäische Entwicklungsmodell gesetzt hatten. Es führte auch zu einer Neubewertung des Eigenen. Das gab nationalistischen wie reform‧orientierten Kräften gleicher‧maßen Auftrieb. Vor allem die städtischen Mittelschichten traten nun verstärkt mit dem Anspruch an, im Namen der Nation gesellschaftliche Reformen auf eigenständigen Wegen voranzutreiben. Manche engagierten sich in nationalistischen Parteien, andere in Bewegungen, die für die Rechte der indigenen Bevölkerung oder der wachsenden Arbeiterschaft eintraten. Die Frauenbewegung erhielt Auftrieb; Ähnliches gilt für die Studentenbewegung. Auch sie war geprägt von der kriegsbedingten Absage an europäische Modelle, von der Rhetorik der Reform und des nationalen Aufbruchs und von der Idee der besonderen Zukunftsfähigkeit Lateinamerikas angesichts der europäischen Katastrophe. Diese wurde von vielen als Verrat an der Zivilisation und als Rückfall in die Barbarei gesehen.

So zeigt Rinke in diesem wichtigen Buch, dass der Erste Weltkrieg auch für Lateinamerika eine wichtige Zäsur darstellte und ein globaler Krieg mit weltweiten Auswirkungen war, die in vielen bisherigen, auf militärische Vorgänge in Europa verengten Betrachtungen aus dem Blick geraten sind.

Rezension: Prof. Dr. Oliver Janz

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Stefan Rinke
Im Sog der Katastrophe – Lateinamerika und der Erste Weltkrieg
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2015, 347 Seiten, Buchpreis € 39,90
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