An mehrbändigen Gesamtdarstellungen zur antiken Geschichte für ein breites Publikum herrscht bei uns nicht eben ein Überangebot. Die deutsche Ausgabe der „Fontana History of the Ancient World“ (im Deutschen Taschenbuch Verlag), in den frühen 1980er Jahren von namhaften britischen Althistorikern verfasst, ist etwas in die Jahre gekommen; die neueren englischsprachigen Reihen harren noch der Übersetzung. So ist die neue sechsbändige Reihe aus dem Verlag C. H. Beck zu begrüßen. Autoren sind deutsche Althistoriker überwiegend der eher jüngeren Generation.
Die Konzeption der Reihe – erzählende, vorwiegend an der Chronologie orientierte Darstellungen zu den Teilepochen Archaik, Klassik, Hellenismus, römische Republik, Kaiserzeit und Spätantike – kommt ohne Überraschungen aus. Bedauerlich ist, dass Ägypten und das alte Vorderasien ebenso wenig vertreten sind wie die vermeintlichen „Randkulturen“, von Persien über das „dritte“ phönizisch-karthagische Mittelmeer bis zum keltischen Europa. Auch im zweiten Jahrzehnt des 3. Jahrtausends muss eine Geschichte der Antike offenbar im klassizistischen Gewand daherkommen: Die Perspektive ist eurozentrisch, der Zugriff nicht universalhistorisch, sondern konventionell.
Der etwas altbackene Ansatz spiegelt sich auch im durchaus gediegenen Band zur römischen Kaiserzeit aus der Feder des Wuppertaler Althistorikers Armin Eich. Im Mittelpunkt der Darstellung steht die Politik- und Ereignisgeschichte, nur punktuell spielen andere Themen eine Rolle. Der Blick richtet sich auf Rom und Italien, die Peripherie der römischen Welt kommt meist nur vor, wenn sie Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen war oder sich hier – wie im Fall der germanischen Völker – Bedrohungsszenarien für die römische Welt zusammenbrauten.
Zwischen dem Referieren von Begebenheiten versteht es Eich allerdings, allerlei Wissenswertes zu strukturellen Gegebenheiten (Funktionieren des Prinzipats, Armee, Bürgerrecht, Christentum) einzuflechten. Ausgesprochen überzeugend ist seine Deutung des Christentums als in der Illegalität operierendes „Netzwerk von Gemeinden“. Etwas verwundert ist man allerdings angesichts der Reduktion der Romanisierungsproblematik auf das Feld der Literatur: Hier hätte die materielle Kultur zur Sprache kommen müssen.
Insgesamt präsentiert Eich die historischen Fakten ohne Fehl und Tadel. Seine oft prononciert vorgetragenen Urteile lassen sich aber gelegentlich nicht nachvollziehen. War die Herrschaft der Adoptivkaiser Hadrian und Antoninus Pius wirklich ein „Goldenes Zeitalter“? Begann unter Mark Aurel tatsächlich eine neue Phase von „Expansionspolitik“, die scheiterte und unter Commodus in eine Wiederauflage der „hadrianischen Friedenspolitik“ mündete?
Womöglich überschätzt Eich die Fähigkeit des Imperiums und seiner politischen Führungsriege, langfristige politische Strategien zu formulieren. Ob die Kaiser überhaupt dazu in der Lage waren, so etwas wie „Außenpolitik“ zu betreiben, oder ob dem imperialen Selbstverständnis Roms nach nicht vielmehr jedes politische Handeln „Innenpolitik“ war, wäre eine lohnende Frage gewesen.
Mit diesem Band ist gut bedient, wer einen soliden Abriss der Zeit von Augustus bis Carus sucht. Dennoch bleibt die Darstellung unter ihren Möglichkeiten: Gerade die im Vergleich zur Republik noch immer stiefmütterlich behandelte römische Kaiserzeit hätte das Potential für eine innovative Darstellung geboten, die zeigt, wie das Verstehen eines fernen, fremden Zeitalters auch dem Verstehen der Moderne den Weg bahnt. Diese Chance wurde hier vertan.
Rezension: Prof. Dr. Michael Sommer