Während des preußisch-französischen Krieges von 1870/71 befanden sich nicht nur die kämpfenden Truppen in ständiger Lebensgefahr. Zeitgleich wurden weite Teile Westeuropas von einer tückischen Pockenepidemie heimgesucht. Allein in Preußen starben in den Jahren 1871 und 1872 rund 125000 Menschen. Der Krieg hatte aber auch gezeigt, dass im Gegensatz zu den französischen Soldaten die deutschen größtenteils von der Krankheit verschont geblieben waren. Der Grund war schnell gefunden: Im deutschen Militär bestand Impfpflicht, im französischen nicht.
Dieser schlagende Beweis für die Wirksamkeit von Impfungen veranlasste den Reichstag 1873, ein Gesetz zu diskutieren, das eine einheitliche Pockenschutzimpfung für das gesamte Reichsgebiet vorsah. Der Entwurf rief jedoch nicht überall Begeisterung hervor: Die traditionsreiche Anti-ImpfBewegung argumentierte, die medizinische Wirksamkeit sei nicht eindeutig erwiesen. Sie forderte vielmehr verbesserte soziale Lebensbedingungen, welche ebenso wirkungsvoll weiteren Pockenepidemien Einhalt gebieten könnten.
Die Impfgegner konnte sich jedoch nicht durchsetzen: Am 8. April 1874 trat das reichsweit geltende Pockenschutzgesetz in Kraft. Eltern waren fortan verpflichtet, ihre Kinder im ersten Lebensjahr und im zwölften Lebensjahr zu impfen. Langfristig hatten die Impfmaßnahmen Erfolg: Seit 1979, so die Weltgesundheitsbehörde, wurde weltweit kein einziger Krankheitsfall von Pocken mehr gemeldet.