„Nie ist in Berlin so viel, so rasend getanzt worden“, so berichtete das „Berliner Tageblatt“ zu Beginn der 1920er Jahre. In den Tanzlokalen der Metropole wollte man die Entbehrungen und Schrecken der Kriegsjahre schnell hinter sich lassen. Die Musik war neuartig, kam aus Amerika und nannte sich „Jazz“. Was genau damit gemeint war, wussten die hiesigen Tanzkapellen jedoch kaum. Schallplatten und Noten amerikanischer Jazzmusiker gab es bisher nur wenig. Deutsche Jazzinterpretationen mischten dieses neue Genre mit dem Ragtime und den modernen, populären Tänzen, wie dem Foxtrott oder dem Shimmy. Das wichtigste Instrument war das Schlagzeug, aber auch Kuhglocken und Schreckschusspistolen kamen zum Einsatz. Das wichtigste war, dass es lärmte und sich das Publikum amüsierte.
Auf der Suche nach dem authentischen, amerikanischen Jazz hatte die Berliner Plattenfirma Homokord am 15. Januar 1920 eine erste Platte auf den Markt gebracht, die das Label „Jazz“ trug: Der in Amerika bereits 1917 eingespielte „Tiger Rag“ von Nick LaRocca erinnerte zwar eher an Marschmusik, wies weder den berühmten Swing noch Improvisation auf. Dennoch, der Erfolg war in dieser tanzwütigen Zeit trotzdem garantiert. Erst zwei Jahre später kamen Originalaufnahmen aus Amerika auf den Markt. Jäh abgebremst wurde der Siegeszug des Jazz durch die Nationalsozialisten: Für sie war Jazz „entartete Musik“, der sie mit Hetzkampagnen und Verboten begegneten.