Als die Menschen nach dem Montagsgebet um 18 Uhr ruhig aus den Kirchen in die Straßen Leipzigs strömten, war der friedliche Ausgang des Abends völlig ungewiss. In den letzten Wochen war die Zahl der Protestierenden bei den Montagsdemonstrationen in der Stadt rapide angestiegen. Niemand wusste aber, wie der DDR-Staat auf diese Massenproteste reagieren würde. Tage zuvor sprach sich die Nachricht herum, Sicherheitskräfte würden „konterrevolutionäre Aktionen endgültig und wirksam“ unterbinden, auch „mit der Waffe in der Hand“. Am 9. Oktober 1989 versammelten sich dennoch 70 000 Menschen auf dem Leipziger Innenstadtring.
Hoffnung machte den Demonstranten der Aufruf der „Leipziger Sechs“. Zuvor war er in den Kirchen verlesen worden, jetzt übertrug der Stadtfunk die Ansprache auf die Straßen. Der Gewandhauskapellmeister Kurt Masur, der Theologe Peter Zimmermann, der Kabarettist Bernd-Lutz Lange sowie die drei SED-Parteifunktionäre Kurt Meyer, Jochen Pommert und Roland Wötzel riefen zu einem „friedlichen Dialog“ zwischen Bürgern und Regierung auf. Das machte Eindruck, bei den Demonstranten wie bei den Sicherheitskräften. Doch nicht zuletzt kapitulierten Volkspolizei und Volksarmee schlicht vor der Menschenmasse. Dass sich 70 000 Menschen aus Protest gegen die Verhältnisse in der DDR zusammentun würden, damit hatten die Kader der SED nicht gerechnet. Das mutige Engagement der Leipziger an diesem Tag gilt als der Wendepunkt hin zu friedlichen Demonstrationen in der ganzen DDR – und damit als Anfang von deren Ende.