Seit der Antike hatte man in Europa kein echtes Nashorn mehr gesehen. Einst hielten römische Kaiser einige Exemplare in Wildgehegen, aber das war lange her. So war das Staunen groß, als am 20. Mai 1515 ein echtes indisches Panzernashorn im Hafen von Lissabon an Land geführt wurde. Es war ein Geschenk von Sultan Muzafar II. von Cambay an König Manuel I. von Portugal, der es als besonderes Schmuckstück in seine Menagerie aufnahm. Ein Jahr später wollte er das Nashorn an Papst Leo X. weiterverschenken. Doch das Schiff, auf dem das kostbare Tier transportiert wurde, zerschellte im Sturm an einem Riff, und das Nashorn ertrank. Nur noch sein ausgestopfter Kadaver konnte nach Rom gebracht werden, wo sich seine Spur schließlich verlor.
Bevor den Dickhäuter indes sein trauriges Schicksal ereilte, hatten viele Menschen Gelegenheit, ihn ausgiebig zu bestaunen. So gelangten eine detaillierte Beschreibung des Tiers durch den Kaufmann Ferdinand Valentin sowie Skizzen eines unbekannten Künstlers nach Nürnberg in die Hände Albrecht Dürers. Anhand dieser Vorlagen fertigte Dürer zunächst eine Federzeichnung des Panzernashorns. Noch 1515 veröffentlichte er dann den Holzschnitt „Rhinocerus“: Das Panzernashorn ist anatomisch nicht korrekt und wirkt beinahe, als trüge es einen Plattenharnisch. Aber Zeichnung und Holzschnitt sind Meisterwerke. Der Holzschnitt erfuhr mehrere Auflagen und avancierte zu einer der populärsten Arbeiten Dürers.