Die Revolution, die Mustafa Kemal Atatürk in den 1920er und 1930er Jahren durchführte, bezeichnet die wohl umfassendste gesellschaftliche Umwälzung in der Geschichte der Türkei. Die Modernisierung nach westlichem Vorbild führte etwa zur Abschaffung des Kalifats, der Trennung von Staat und religiösen Institutionen und der Einführung des westlichen Kalenders. Als einer der radikalsten Schritte können die Maßnahmen zur Frauenemanzipation gelten. Die Zivilehe wurde zur Norm und damit eine Zustimmung der Frau zur Heirat notwendig. Frauen konnten die Scheidung initiieren, das Sorgerecht für Kinder wahrnehmen und hatten gleiches Erbrecht. Das Recht auf höhere Schulbildung ermöglichte es ihnen, künftig einer eigenen Arbeit nachzugehen. Das Tragen eines Schleiers wurde zwar nicht verboten, Präsident Kemal Atatürk forderte aber dazu auf, ihn abzulegen.
Bedeutsam aber war vor allem, dass Frauen Schritt für Schritt ihr aktives und passives Wahlrecht in Anspruch nehmen konnten, zunächst bei Kommunalwahlen, dann, am 8. Februar 1935, erstmals bei den Wahlen zur türkischen Nationalversammlung. 15 Frauen zogen anschließend als neugewählte Abgeordnete ins Parlament. Kritiker sprechen zwar von einem verordneten „Staatsfeminismus“, der nicht grundsätzlich die gesellschaftliche Stellung der Frau geändert habe. Doch immerhin sprach die Türkei den Frauen das Wahlrecht noch vor europäischen Ländern wie Frankreich oder Italien zu – und vor der Schweiz sowieso, die erst 1971 Frauen das Wählen erlaubte.