Um 1220 war die Anhängerschaft des Franziskus von Assisi so stark angewachsen, dass allein seine charismatische Persönlichkeit und das Leitbild des Evangeliums nicht mehr ausreichten, sie zu lenken. Er erkannte eine wachsende Uneinigkeit und die Notwendigkeit einer für alle verbindlichen Regel, wie sie auch der Papst forderte – alles Dinge, die er nie wollte. Franziskus musste sich eingestehen, dass ihm die Führung seiner Gemeinschaft aus den Händen glitt, und legte die Leitung des Minderbrüderordens frustriert nieder. Fortan zog er sich in immer stärkere Askese zurück und suchte die mystische Verschmelzung mit Jesus Christus.
Eine neue Heimat fand er in der Bergeinsamkeit des Klosters La Verna. Am 17. September 1224, drei Tage nach dem Fest der Kreuzerhöhung, soll er nach intensivem Fasten eine Vision gehabt haben. Sein Mitbruder Leo, der an seiner Seite war, berichtete später: „Plötzlich schaute er einen Seraph, einen Engel mit sechs Flügeln an einem Kreuz. Der machte ihm das Geschenk der fünf Wunden Christi.“
Als er erwachte, soll Franziskus tatsächlich an Händen, Füßen und an der Seite die Wundmale Christi getragen haben. Franziskus ist damit der erste von zahlreichen Männern und Frauen, die die Stigmata empfangen haben wollen. Moderne Erklärungsversuche für das Phänomen reichen im Einzelfall von Betrug über eine Vielzahl psychosomatischer Ursachen bis hin zur Feststellung des Unerklärlichen, eines Wunders.