Eng war der Halbgott Theseus mit Athen verbunden. In mythischer Frühzeit sollte er über die Siedlung geherrscht haben. Auch später, in historischer Zeit, glaubte man, er habe in die Geschicke der Athener eingegriffen, indem er in der Schlacht von Marathon den Griechen im Kampf gegen die Perser zum Sieg verhalf. Als das Orakel von Delphi den Athenern eine Generation später auftrug, die sterblichen Überreste des Theseus nach Athen zu bringen, wollte man der Aufforderung gern nachkommen. Doch die Einwohner der Insel Skyros, auf der der Heros angeblich den Tod gefunden hatte, verboten genauere Nachforschungen.
Für das expandierende Athen lag Skyros strategisch günstig, seine Bewohner waren ohnehin als Piraten verschrien. Also zögerte der damalige erste Mann im Gemeinwesen, Kimon, nicht: 475 v. Chr. wurde Skyros erobert, die Bevölkerung versklavt. Just als die Suche nach dem Heroengrab fehlzuschlagen drohte, scharrte ein Adler an einem Hügel, in dem man ein großes Grab mit Waffen fand. Diese „Gebeine des Theseus“ wurden feierlich nach Athen in ein neuerbautes Heiligtum gebracht. Theseus diente als hervorragende Projektionsfläche für die zentralen Themen der damaligen athenischen Politik: Sieg der Demokratie über die Barbarei (Theseus hatte einst Amazonen und Kentauren bekämpft) und Herrschaft über das Meer (Theseus’ Vater war Poseidon). Auf all dies bezog sich der Bildschmuck des heute nicht mehr existierenden Theseions, das kunstvoll Mythos, Gegenwart und Zukunft verwob.