Kaum vorstellbar, hätte heute in Frankreich bereits das Jahr 2012 begonnen, während die Österreicher ihre Jahre nach der Regierungszeit des jeweiligen Bundeskanzlers zählen würden. Diese Situation war in der Antike normal. Die kleinen Gemeinwesen zählten ihre Jahre unterschiedlich, Beginn und Ende waren nicht gleich, und die Anzahl der Monate sowie deren Namen und Länge variierten sowieso. Die meisten Kalender basierten auf den Mondphasen. Daher konnte man keine Schalttage einschieben, sondern brauchte ganze Schaltmonate. Wichtige Feste, an denen man sich im Alltag meist orientierte, fielen also ständig auf andere Tage und Monate im Jahr; in größeren Reichen bereiteten die wegen der Distanzen unterschiedlichen Ortszeiten Schwierigkeiten.
Schon früh erstellten Astronomen wissenschaftliche Kalender, die eine gewisse Planbarkeit gewährleisteten. Diese Berechnungen wurden ständig verbessert, so auch durch Kallipos von Kyzikos, einen Schüler des Aristoteles. Er erarbeitete einen lunisolaren Kalender, der ge‧nauer war als alle älteren Modelle: Ein „Kallipischer Zyklus“ verteilte über 76 Jahre 28 Schaltmonate. Dieser Kalender begann am 26. Juni, zur Sonnenwende des Jahres 330 v. Chr. Die Präzision des Kalenders ist beachtlich und ließ ihn jahrhundertelang zum Standard in der griechisch-römischen Welt werden. Noch unser gregorianischer Kalender basiert auf Kallipos’ Vorarbeit. Vor allem aber erlaubt er uns das, was er schon in der Antike ermöglichte: eine genaue Umrechnung von Daten der attischen, römischen und ägypti‧schen Zeitrechnung.