Die griechischen Tyrannen lebten in ständiger Gefahr, von den anderen Aristokraten gestürzt zu werden. Um sich dagegen abzusichern und die Gunst des Volkes zu gewinnen, förderten sie lokale Kulte und Bräuche. In Attika begründeten die herrschenden Peisistratiden ein Fest zu Ehren des Fruchtbarkeitsgottes Dionysos, die „Großen Dionysien“. Seit 534 v. Chr. (vielleicht auch ein paar Jahre später) wurden zu diesem Anlass Wettbewerbe für Chöre abgehalten, die alte kultische, oft schwer verständliche Lieder sangen. Ein gewisser Thespis hatte gleich beim ersten Wettbewerb eine unerhört revolutionäre Idee: Er stellte dem Chor einen „Erklärer“ (hypokrites) gegenüber, der im Dialog mit den Sängern die dunklen Verse deutete. Dies war die Geburtsstunde der Tragödie, letztlich des europäischen Handlungstheaters.
Der Chor stand in der orchestra, dem Halbrund zwischen Bühne und Zuschauerreihen, der Schauspieler auf der Bühne vor der skene, der Bühnenrückwand, die eine „Szenerie“ darstellen konnte. Erst zwei Generationen später gesellten sich dem Erklärer weitere Partner hinzu. Die Darbietungen waren so beliebt, dass sich schon in den 480er Jahren ein „Ableger“ der Tragödie bildete: die Komödie. In der Antike kursierten zwar zahlreiche Tragödien unter dem Namen des Thespis, doch handelt es sich ausschließlich um Werke von Bewunderern späterer Zeit. Der erste Tragödientext ist nicht erhalten.