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„Der Vater Afrikas“

Faszinierende Figuren: Asfa-Wossen Asserate über Kaiser Haile Selassie

„Der Vater Afrikas“
Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wissenschaft sprechen über historische Gestalten, die sie beeindruckt haben. In dieser Ausgabe: der Publizist Asfa-Wossen Asserate über den äthiopischen Kaiser Haile Selassie.

DAMALS: Erinnern Sie sich daran, wann Sie Haile Selassie erstmals begegnet sind? Asfa-Wossen Asserate: Ich war ungefähr acht Jahre alt und hatte eine unangenehme Operation über mich ergehen lassen müssen. Als ich aus der Narkose aufwachte – wessen Gesicht sah ich als Erstes? Es war kein Geringerer als der König der Könige, Kaiser Haile Selassie. Er legte seine Hand auf meine Stirn und sagte: Mein Junge, es wird besser werden, und bald wird es Eis geben.

DAMALS: Was finden Sie an ihm beeindruckend? Asserate: Er war kein großer Mann, knapp 1,60 Meter, aber mit einer Aura, die unbeschreiblich war. Ich habe zwei Meter große Generäle gesehen, die vor ihm zitterten. Ich habe Menschen gesehen, die sich vor ihm niederwarfen, weil sie ihm nicht in die Augen schauen konnten. Dieser Mann strahlte ein Charisma aus, das allen, die ihm begegneten, unvergesslich blieb.

DAMALS: Wie würden Sie sein Denken und seine Leistungen auf zwei, drei Begriffe bringen? Asserate: Haile Selassie war ein großer Antifaschist, der nach der italienischen Invasion 1936 vor dem Völkerbund die prophetische Warnung aus‧gesprochen hat, das kleine Streichhölzchen, das in Äthiopien angezündet worden sei, werde ganz Europa in Brand setzen. Er war der Vater Afrikas, der eine große Rolle in der Dekolonisierung spielte. Er hat Freiheitskämpfern wie Nelson Mandela Zuflucht geboten. 1963 hat er in Addis Abeba die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) mitbegründet.

DAMALS: Welche Bedeutung hatte er für Äthiopien? Asserate: Dieser Kaiser hat das Land aus dem tiefsten Mittelalter in das 20. Jahrhundert katapultiert. Bei seiner Thronbesteigung 1930 gab er Äthiopien eine Verfassung. Und er hat in schlimmen Zeiten die Unabhängigkeit und die Einheit dieses Vielvölkerstaates bewahrt.

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DAMALS: Taugt er als Vorbild? Asserate: Zu einem großen Teil ja. Für die Entwicklung des Bildungswesens in Äthiopien etwa hat Haile Selassie eine enorme Rolle gespielt. Er wusste: Ohne Bildung, ohne modern denkende Äthiopier war die große Aufgabe, das Land aus dem Mittelalter herauszuholen, nicht zu bewältigen.

DAMALS: Gibt es etwas, das ihnen möglicherweise weniger gefällt? Asserate: Nach einem Putschversuch 1960 hat er die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Er hat nicht gesehen, dass es Risse im Gebälk gab und den Wunsch nach mehr Demokratie. Sein größter Fehler war die Aufhebung der Autonomie Eritreas in der seit 1952 bestehenden Föderation mit Äthiopien. Das war der Beginn eines jahrzehntelangen Krieges.

Haile Selassie I. (1892 –1975): Seit 1916 Regent, seit 1930 Kaiser Äthiopiens. Von 1936 bis zur Vertreibung der italienischen Besatzer durch britische Truppen 1941 im Exil in England. Durch einen Putsch kommunistischer Offiziere 1974 gestürzt. Besuchte 1954 als erstes ausländisches Staatsoberhaupt die junge Bundesrepublik.

Asfa-Wossen Asserategeb. 1948, Publizist und Unternehmensberater; Großneffe Kaiser Haile Selassies. Studierte Geschichte, Jura und Volkswirtschaft. 1978 Promotion im Fach Geschichte. Träger des Adelbert-von-Chamisso-Preises für Deutsch schreibende Autoren nicht-deutscher Muttersprache und des Jacob-Grimm-Preises Deutsche Sprache.

Interview: Winfried Dolderer

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