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„Ein Türöffner“

Faszinierende Figuren: Gerd Koenen über August Bebel

„Ein Türöffner“

Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wissenschaft sprechen über historische Gestalten, die sie beeindruckt haben. In dieser Ausgabe: der Publizist und Historiker Gerd Koenen über den SPD-Mitbegründer August Bebel.

DAMALS: August Bebel – seit wann sagt Ihnen der Name etwas? Gerd Koenen: Natürlich schon seit den 1960er Jahren, als ich Geschichte studierte. Damals schien er uns freilich langweilig, ein dröger Patron. Ich bin ja ein klassischer 68er – „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ –, und wir waren als Generation im Modus der Abwertung aller überkommenen Gedanken, soweit sie nicht ultrarevolutionär waren wie bei Trotzki, Lenin oder Mao. Mir ist Bebel erst wieder in neuerer Zeit interessant geworden, als ich mich mit der Entstehung des europäischen Sozialismus als einer realen historischen Bewegung neu beschäftigt habe.

DAMALS: Was hat Sie da besonders beeindruckt? Koenen: In dem Dreigestirn am Ursprung des deutschen Sozialismus – Bebel, Lassalle, Liebknecht – ragt Bebel durch diese olympische Heiterkeit heraus, seine heitere Zukunftsgewissheit. Alles, was für unsere Generation nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts schon in einem ideologischen und auch etwas blutig gefärbten Nebel lag − Revolution, Sozialismus, Kommunismus −, war in seiner Zeit noch etwas Handgreif‧liches, gar nicht Mystisches. Die Gesellschaft, wie sie war, konnte gar nicht weiterbestehen. Alles wies in den „Zukunftsstaat“.

DAMALS: War er also ein Mann des Umsturzes oder doch ein verkappter Reformer? Koenen: Diese Frage stellte sich für ihn gar nicht. Dazu war er zu sicher, dass man der Arbeiter- und Volkspartei SPD die führende Rolle in der Gesellschaft gar nicht würde verwehren können. In diesem Fortschreiten, dem Aufbau einer Machtposition in der bestehenden Gesellschaft, waren ihm auch alle Reformen willkommen.

DAMALS: Was waren in Ihren Augen die Leitgedanken seines Wirkens? Koenen: Er war ein Türöffner in eine moderne Gesellschaft, in der wirklich alle am politischen wie am sozialen Leben teilnehmen konnten. Das war ja die Leistung der Sozialdemokratie – ohne sie kein allgemeines Wahlrecht. Er hat einen für die Zeit ungewöhnlichen Akzent auf die Frauenemanzipation gelegt. Er hat das Gewaltpotential der imperialistischen Gesellschaft sehr klar gesehen, ohne aber wie Lenin den Bürgerkrieg zu predigen, im Gegenteil, er fürchtete ihn.

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DAMALS: Taugt Bebel als Vorbild? Koenen: Vielleicht insofern, als er in einer sich schon verdüsternden Zeit sich selber nicht verdüstern ließ. Er war kein Panikmacher. Er konnte dem Leben immer etwas abgewinnen. Er war unfanatisch, nicht verhärtet, trotz der schon heraufziehenden Weltkriegsgefahr.

August Bebel (1840 –1913), Mitbegründer und seit 1892 einer von zwei Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Seit 1864 selbständiger Drechslermeister und Fabrikant in Leipzig. Politische Anfänge in der liberalen Arbeitervereinsbewegung, nach 1865 Hinwendung zum Sozialismus. Seit 1867 bis zu seinem Tod mit nur zwei Jahren Unterbrechung Mitglied des Reichstages zunächst des Norddeutschen Bundes, seit 1871 des Deutschen Reiches.

Gerd Koenen, geb. 1944, Publizist und Historiker. Studium der Geschichte, Romanistik, Politik in Tübingen und Frankfurt. Promotion 2003 in Tübingen. Veröffentlichungen unter anderem: „Utopie der Säuberung. Was war der Kommunismus?“ (1998), „Das rote Jahrzehnt“ (2001).

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