Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wissenschaft sprechen über historische Gestalten, die sie beeindruckt haben. In dieser Ausgabe: der Europa-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff über den US-Präsidenten und Sklavenbefreier Abraham Lincoln.
DAMALS: Erinnern Sie sich noch, wann Sie erstmals von Abraham Lincoln gehört haben? Alexander Graf Lambsdorff: Zum ersten Mal natürlich in der Schule, im Geschichtsunterricht. Später ist mir Lincoln dann in der Dokumentation von Ken Burns über den amerikanischen Bürgerkrieg wieder begegnet – ein beeindruckender Film, der in den USA eine Welle der Geschichtsbegeisterung auslöste.
DAMALS: Was finden Sie an ihm besonders beeindruckend? Alexander Graf Lambsdorff: Lincoln konnte die Menschen mit seinem Charisma und natürlichen Charme überzeugen. Am bedeutendsten war aber seine Zielstrebigkeit. Aus einfachsten Verhältnissen ist er zum berühmtesten Präsidenten der Vereinigten Staaten aufgestiegen.
DAMALS: In die Geschichte ist er als Sklavenbefreier eingegangen. Aber sein eigentliches Anliegen war es, die USA zusammenzuhalten. Relativiert das seine Leistung? Alexander Graf Lambsdorff: Schon in seiner Zeit im Parlament von Illinois hat sich Lincoln gegen Sklaverei ausgesprochen. Als Präsident während des Bürgerkrieges befreite er dann die Sklaven – auch in der Hoffnung, damit den Krieg zu gewinnen. Mit dem Erhalt der Sklaverei wären die USA wahrscheinlich zerbrochen. Diese beiden Ziele konnten nur zusammen erreicht werden.
DAMALS: Sein Denken und Handeln in zwei, drei Leitbegriffen? Alexander Graf Lambsdorff: Seine Handlungen waren geprägt durch Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit. Er wollte die in der Verfassung verankerten Gleichheitsgrundsätze auf die schwarze Bevölkerung ausweiten. Den ehemaligen Sklaven ermöglichte er so etwas bis dahin Undenkbares – ein Leben mit Chancen und Selbstbestimmung.
DAMALS: Er hat die politische Rhetorik der USA ja um zahlreiche geflügelte Worte bereichert. Welches ist Ihnen das liebste? Alexander Graf Lambsdorff: Der denkwürdige Satz „Government of the people, by the people, for the people“ [„Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk“] aus seiner Rede von Gettysburg bleibt für immer in den Stein der Geschichte gemeißelt. Er erinnert uns als Volksvertreter daran, dass wir den Bezug zur Lebenswirklichkeit nicht verlieren dürfen.
DAMALS: Taugt Lincoln zum Vorbild? Alexander Graf Lambsdorff: Für mich ist Abraham Lincoln natürlich ein Vorbild. Er war bescheiden und überwand dennoch politisch große Hindernisse. Er hat es vollbracht, eine Nation zu vereinen und die Grausamkeit der Sklaverei zu überwinden. Dar‧aus lässt sich die Lehre ziehen, dass wir uns stets gegen Unrecht in der Welt einsetzen müssen.
Interview: Winfried Dolderer