Ein Grabungsprojekt in Heliopolis – dem mythischen Schöpfungsort der alten Ägypter – hat überraschende Funde zutage gefördert: Gleichsam auf den Resten von Umfassungsmauern der berühmten Tempelanlagen, die hier einst standen, fanden die Archäologen das Fragment einer Königsstatue und einige Meter weiter sieben Basaltreliefs. Der Eigenartige Fundort dieser Artefakte hat offenbar mit der altägyptischen Tradition zu tun, auf den breiten Umfassungsmauern von Tempeln weitere sakrale Bauten zu errichten, erklären die Forscher.
Heliopolis ist ein ausgesprochen spannender Ausgrabungsort: „Das ist der Ort, an dem laut ägyptischer Mythologie die Welt erschaffen wurde – das theologisch-religiöse Zentrum Ägyptens“, erklärt Dietrich Raue. Der Ägyptologe der Universität Leipzig hat 2012 die Grabungen in Heliopolis initiierte. Wo heute illegale Wohnhäuser stehen und sich die Müllberge des nahen Kairo auftürmen, standen einst gewaltige und prachtvolle Tempelanlagen. Ihren Geheimnissen wollen die Ägyptologen nachforschen.
Mächtige Tempelmauern und mehr
Zunächst stieß das Grabungsteam tatsächlich auf mächtige, etwa 17 Meter breite und ebenso hohe Tempelmauern. Anschließend entdeckten sie dann in zwei bis drei Metern Tiefe das Fragment einer großen Königsstatue aus Rosengranit, die sie auf die Zeit von 1213 bis 1203 v. Chr. datieren. Einige Meter weiter stießen sie dann außerdem auf insgesamt sieben, etwa 2400 Jahre alte Basaltreliefs.
Über diese Funde können sie bereits Genaueres berichten: Sie stellen eine Nilgott-Prozession aus der Zeit des ägyptischen Königs Nektanebo I. dar. Dieser Pharao regierte in einer turbulenten Zeit – von 380 bis 363 v. Chr. Damals bedrohte das Perserreich die Unabhängigkeit Ägyptens. 373 v. Chr. gelang es Nektanebo I. die Invasoren in einer Schlacht am Nil noch einmal zurückzuschlagen. Seinen Nachfolgern gelang dies dann schließlich nicht mehr.
Archäologie zwischen Müllbergen
Die Ägyptologen wollen die Grabungen in Heliopolis nun fortführen und sind gespannt, was in dem geschichtsträchtigen Areal noch alles im Boden schlummert. „Unser Forschungsziel ist es, endlich die Tempel zur reichen historischen Überlieferung zu finden, da sie in vielerlei Hinsicht Vorbild für Ägypten waren“, erläutert Raue. Dabei ist den Archäologen zufolge Eile geboten, denn der Platz der Schöpfung ist von der Ausbreitung der ständig wachsenden Millionenstadt Kairo bedroht. So müssen sich die Forscher bei ihrer Arbeit bereits durch gigantisch Müllberge kämpfen. Doch der Aufwand könnte sich lohnen, sagt Raue: „Wir rechnen mit zahlreichen weiteren Funden und Tempelresten“, so der Ägyptologe.