Unter dem Wohnzimmer-Teppich verbarg sich eine Überraschung: Bei der Renovierung eines Hauses in Jerusalem haben die Bewohner ein knapp 2000 Jahre altes jüdisches Ritualbad entdeckt. Das in den Fels gehauene Becken lag unter einer hölzernen Falltür verborgen. Der Fund ist besonders wertvoll, weil er zu den wenigen Zeugnissen einer frühen jüdischen Besiedelung dieses Stadtviertels gehört.
Entdeckt wurde das Ritualbad im Jerusalemer Stadtviertel En Kerem. Der Überlieferung nach soll hier früher der Ort gelegen haben, der in der Bibel als Stadt Judas und als Geburtsort von Johannes dem Täufer erwähnt wird. Ob hier aber vor 2000 Jahren tatsächlich eine jüdische Siedlung lag, ließ sich bisher nicht eindeutig belegen – zu dünn gesät waren archäologische Funde. Doch mit der Entdeckung des jüdischen Ritualbad aus eben jener Zeit könnte dies nun endlich geklärt sein.
Versteckt unter dem Teppich
Die Bewohner des Hauses stießen auf das Bad, als sie ihr Wohnzimmer renovieren wollten. Als sie einen alten Teppich entfernten, entdeckten sie dabei eine zweiteilige Falltür im Holzboden des Raumes. Als sie diese öffneten, zeigte sich eine Steintreppe, die in ein in den Fels gehauenes und gepflastertes Becken führte. Das Becken ist 3,5 Meter lang, 2,4 Meter breit und 1,8 Meter tief.
„Zuerst waren wir unsicher, wie wichtig dieser Fund unter unserem Haus sein könnte“, berichten die Eigentümer des Hauses. „Aber wir hatten das Gefühl, es könnte etwas historisch Wertvolles sein.“ Daher meldeten sie den Fund der israelischen Antikenbehörde, die das Becken und seine Umgebung näher untersuchte.
Gleichzeitig mit dem Tempel zerstört
Wie sich herausstellte, handelt es sich dabei um eine Mikwe, ein jüdisches Ritualbad aus der Zeit des Zweiten Jerusalemer Tempels. Im Becken fanden sich Reste von Steingefäßen, die bei den rituellen Waschungen verwendet worden sein könnten, den im damaligen Judentum galt Stein als besonders reines Material. Die Archäologen entdeckten aber auch Spuren eines Brands, die sie auf die Zeit um 70 nach Christus datieren.
Nach Angaben der Antikenbehörde könnte dies darauf hindeuten, dass das Bad und seine Umgebung während des römisch-jüdischen Krieges zerstört wurden. Damals belagerte der römische Feldherr Titus mit seinen Truppen die jüdische Hauptstadt und nahm die Stadt schließlich ein. Der Tempel wurde dabei niedergebrannt, aber auch viele Orte und Gebäude im Umland fielen den Kämpfen zum Opfer.
„Über die Aufregung und die ungewöhnliche Geschichte dieses Fundes hinaus, ist die Entdeckung dieser Mikwe von großer historischer Bedeutung“, betont Amit Reem, Distrikt-Archäologe von Jerusalem. Denn die Datierung des Bades belege, dass es zur Zeit des Zweiten Tempels tatsächlich an diesem Ort eine jüdische Siedlung gegeben habe.