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Mediterrane Geschichte im Spiegel der Genetik

Geschichte|Archäologie

Mediterrane Geschichte im Spiegel der Genetik
Die Bronzestatue von Riace (5. Jahrhundert v. Chr.), die in Kalabrien gefunden wurde, avancierte zum Symbol für die Anwesenheit der Griechen in Süditalien. (Foto: Museo nazionale della Magna Grecia, Reggio Calabria)

Historische Kolonialisierung zeichnet sich ab: Die Bewohner mancher griechischer Inseln sind enger mit Menschen Süditaliens verwandt als mit Festland-Griechen. Dies ist eines der Ergebnisse von Forschern, die das Erbgut verschiedener mediterraner Bevölkerungsgruppen untersucht haben. Die Studie wirft auch neues Licht auf die Debatte um die Ausbreitung der indo-europäischen Sprachen.

Es handelte sich zweifellos um einen besonderen Hotspot in der Menschheitsgeschichte:
Die Mittelmeerregion bildete eine Drehscheibe zwischen drei Kontinenten und zahlreichen Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen genetischen und kulturellen Hintergründen. Um die Beiträge früherer Populationen und die demographische Geschichte der Region zu ergründen, hat ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Universität Bologna die genetischen Fingerabdrücke von mehr als 500 Personen untersucht. Es handelte sich um Bewohner der östlichen mediterranen Küstenregionen: von Siziliens über Albanien bis nach Zypern und Kreta, einschließlich der ägäischen Inseln und Anatolien.

Wie sie berichten, zeichnet sich im Erbgut dieser Menschen zwar die wechselhafte Geschichte der Region ab. Generell gilt jedoch: Es gibt eine gemeinsame genetische Ur-Wurzel dieser Populationen. „Diese gemeinsame Mittelmeer-Abstammung reicht möglicherweise zurück bis in prähistorische Zeiten und könnte das Ergebnis mehrerer Migrationswellen mit Spitzen in der Jungsteinzeit und Bronzezeit sein“, sagt Co-Autorin Stefania Sarno von der Universität Bologna. Anscheinend war die Errichtung der „Magna Graecia“, die Kolonialisierung Süditaliens und Siziliens ab dem 8. Jahrhundert vor Christus durch griechische Siedler, nur eine der letzten Ereignisse in einer langen Geschichte der Ost-West-Bewegungen im Mittelmeerraum.

Was sich im Erbgut abzeichnet

In der Studienergebnissen spiegeln sich auch interessante historische Entwicklungen jüngerer Zeit wider, berichten die Forscher: Zum Beispiel scheinen die Bewohner des griechischen Festlands und Albaniens zusätzliche genetische Einflüsse erworben zu haben, die am wahrscheinlichsten mit dem slawischen Einfluss auf dem Balkan zusammenhängen. Diese relativ neuen genetischen Beiträge auf dem griechischen Festlands und in Albanien sind anhand einiger ethno-sprachlichen Minderheiten Siziliens und Süditaliens erkennbar, sagen die Forscher. Die albanisch-sprachigen Arbereshe migrierten beispielsweise am Ende des Mittelalters von Albanien nach Italien und lebten dort in geographischer und kultureller Isolation, wodurch sich ihre unverwechselbaren genetischen Merkmale erhielten.

Ein weiteres Beispiel bilden griechisch-sprachige Gemeinschaften im süditalienischen Kalabrien. Die genetischen Merkmale dieser Gruppen deuten auf einen frühen Zeitpunkt ihrer Ansiedlung hin. „Das Studium der sprachlichen und kulturellen Isolate in Italien erwies sich als wichtig, um unsere Geschichte und unsere Demographie zu verstehen“, sagt Co-Autor Alessio Boattini von der Universität Bologna. „Die Beispiele der albanisch- und griechisch-sprachigen Gemeinden Süditaliens helfen, Licht in die Entstehung dieser kulturellen und sprachlichen Identitäten zu bringen“.

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Hinweise auf den Ursprung der indo-europäischen Sprachfamilie

Wie die Forscher berichten, liefern ihre Studienergebnissen auch neue Hinweise für die Debatte um den zeitliche und geographische Einordnung des Ursprungs der indo-europäischen Sprachfamilie. Es gibt dazu bisher zwei alternative Theorien: Die anatolische Hypothese legt den Ursprung der indo-europäischen Sprachen in Anatolien vor mindestens 8000 Jahren nahe. Die sogenannte Steppen-Hypothese besagt hingegen, dass der Ursprung dieser Sprachen in der Pontischen Steppe während der Bronzezeit vor etwa 6000 Jahren liegt. Die aktuellen genetischen Ergebnisse stellen nun zumindest ein reines „Steppenmodell“ in Frage, sagen die Forscher: „Die Ausbreitung dieser Sprachen in den südlichen Regionen, in denen heutzutage indo-europäische Sprachen wie Italienisch, Griechisch und Albanisch gesprochen werden, lässt sich nicht allein mit einem maßgeblichen Beitrag aus der Steppe erklären“, sagt Co-Autorin Chiara Barbieri vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena.

„Insgesamt zeigt die Studie, wie sowohl genetische als auch kulturelle Sichtweisen unser Wissen über die komplexe Dynamik hinter der Ausformung unseres mediterranen Erbes erweitern können, vor allem im Kontext der sowohl geographisch als auch zeitlich umfassenden Vermischung“, sagt Co-Autor Davide Pettener von der Universität Bologna. Seine Kollegin Donata Luiselli fügt hinzu: „Diese Ergebnisse werden wir in zukünftigen Studien weiterentwickeln, indem wir die Erkenntnisse aus anderen Disziplinen, insbesondere der Linguistik, Archäologie und Paläogenomik, mit dem Studium der alten DNA aus archäologischen Resten integrieren.“

Quelle: Max-Planck-Gesellschaft
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