Die wohlhabende Stadtbevölkerung des Mittelalters zahlte für ihren Reichtum einen Preis, berichten dänische Forscher: Die Menschen belasteten sich kontinuierlich mit Blei, das sich aus den schönen Glasuren ihrer kostbaren Becher und Teller löste. Die resultierenden Schwermetallbelastungen belegen Untersuchungen von Skeletten aus dänischen und deutschen Friedhöfen.
Für ihre Studie haben die Forscher um Kaare Lund Rasmussen von der Süddänischen Universität in Odense Proben von 207 Skeletten analysiert, die von sechs Mittelalter-Friedhöfen in Norddeutschland und Dänemark stammen. Vier waren Begräbnisstätten vergleichsweise armer Landbevölkerung, bei den anderen beiden Friedhöfen handelte es sich hingegen um die letzten Ruhestätten von wohlhabenden Stadtbewohnern.
„Wir fanden große Unterschiede bei der Schwermetallbelastung“, berichtet Lund Rasmussen: „Die Gebeine der mittelalterlichen Landbevölkerung enthielten nur wenig Blei, ganz im Gegensatz zu den Werten bei den Stadtmenschen: Viele Proben wiesen deutlich erhöhte Werte des giftigen Metalls auf“. Den Forschern zufolge lag dieser Unterschied wohl hauptsächlich am glasierten Geschirr, das die Stadtbevölkerung schätzte: „Man verwendete Bleioxid als Bestandteil von Keramik-Glasuren, denn es hielt das Geschirr sauber und sah schön aus“, sagt Lund Rasmussen. Damals erahnte niemand den kritischen Nebeneffekt dieser Glasuren: „Bei Kontakt mit salzigen und sauren Lebensmitteln löst sich Blei und geht in die Nahrung über“, erklärt der Forscher.
Bleiernes Stadtleben
Neben dem Geschirr könnte es auch noch eine weitere stadttypische Belastungsquelle gegeben haben, sagen die Wissenschaftler: Manche der eleganten Häuser waren mit Bleiziegeln gedeckt. Da man das Regenwasser als Trinkwasser nutzte, könnten auch sie zur Bleibelastung in der Stadt beigetragen haben. „Reiche Menschen und die Stadtbevölkerung generell konnten wohl die Aufnahme von Blei kaum vermeiden“, sagt Lund Rasmussen. Besonders kritisch könnte in diesem Zusammenhang gewesen sein: „Bleibelastungen können zum Rückgang geistiger Leistungen bei Kinder führen“, betont der Forscher.
Für die Landbevölkerung galt hingegen wohl: Arm aber dafür gesünder. Hier konnte man sich das glasierte Geschirr nicht leisten, beziehungsweise es wurde auch gar nicht angeboten. Stattdessen benutzten die Menschen unglasierte Keramiken, womit sie sich unwissentlich vor den Bleibelastungen bewahrten, sagen Lund Rasmussen und seine Kollegen.