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Schädel „erzählen“ Sprach-Geschichte

Geschichte|Archäologie

Schädel „erzählen“ Sprach-Geschichte
Schädel wurden anhand von verschiedenen Messpunkten (gelb markiert) verglichen. Foto: Alle Rechte Universität Tübingen.

Die Merkmale von Schädelknochen lassen Rückschlüsse auf die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer Sprachgemeinschaft zu, legen Studienergebnisse deutscher Forscher nahe. Die Auftrennung in unterschiedliche Sprachfamilien und Sprachen fand offenbar parallel zur Entwicklung charakteristischer Merkmale der Gesichtsknochen statt, so die Erklärung. Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, könnte die Wissenschaft eine Quelle für Hinweise auf die Entwicklungsgeschichte unterschiedlicher Sprachfamilien gewinnen, sagen die Forscher.

Welche Sprachen sind verwandt und damit auch welche Volksgruppen? Bisher dominierte die Ansicht, dass Sprachen nur klare Merkmale der Verwandtschaft zeigen, wenn ihre letzte gemeinsame Form vor höchstens 10.000 Jahren gesprochen wurde. Einigen Experten zufolge könnten aber auch noch tiefere Wurzeln erkennbar sein. Der Sprachwissenschaftler Gerhard Jäger und die beiden Paläoanthropologen Katerina Harvati und Hugo Reyes-Centeno von der Universität Tübingen haben sich mit diesem Thema nun auf überraschende Weise auseinandergesetzt: Sie sind der Frage nachgegangen, ob es Parallelen zwischen bestimmten Schädelmerkmalen und der Zugehörigkeit zu einer Sprachfamilie gibt.

Für ihre Studie untersuchten die Forscher 265 Schädelfunde aus Afrika, Asien und Ozeanien sowie den Wortschatz von über 800 Sprachen und Dialekten aus den gleichen Regionen. Die Paläoanthropologen erfassten die Ähnlichkeit der Eigenschaften von Form und Gestalt der wenige hundert Jahre alten Schädel durch standardisierte Messverfahren. Dadurch war ein Vergleich der anatomischen Merkmale mit sprachlichen Zugehörigkeiten möglich. „Wir können davon ausgehen, dass sich Sprachen in dieser vergleichsweise kurzen Zeit nicht wesentlich verändert haben”, betont Jäger. Die Sprachwissenschaftler des Teams steuerten zur Studie eine Methode bei, um den Grad der Ähnlichkeit zwischen zwei Sprachen komplett automatisiert messbar zu machen, indem sie den Grundwortschatz heute gesprochener Sprachen vergleicht.

Korrelation zwischen Gesichtsknochen und Sprachgruppe

In den Auswertungen spiegelte sich wider: Die durchschnittliche Ähnlichkeit zwischen Menschen unterschiedlicher Populationen nimmt mit der geografischen Entfernung klar erkennbar ab, sowohl im Hinblick auf die sprachlichen wie auch die Merkmale der Schädel. Entsprechend zeichnet sich ebenfalls ab: Populationen mit sprachlicher Ähnlichkeit sind sich tendenziell auch biologisch ähnlich und umgekehrt. Die sprachliche Verwandtschaft spiegelt sich den Forschern zufolge dabei vor allem in den Eigenschaften der Gesichtsknochen wider, weniger dagegen in den Merkmalen der Schädelknochen, die das Gehirn umhüllen. Die Ergebnisse legen nahe, dass sich die Parallelen auch noch bei Populationen feststellen lassen, die sich bekanntermaßen bereits vor mehr als 10.000 Jahren getrennt und anschließend unterschiedlich weiterentwickelt haben.

Wie die Forscher betonen, müssen die Ergebnisse nun durch weitere Untersuchungen untermauert werden. Wenn sie sich bestätigen, hätte die Forschung eine neue Quelle für Hinweise, um die Entwicklung unterschiedlicher Sprachfamilien bis in die Frühzeit des Menschen zurückzuverfolgen. Konkret ließen sich beispielsweise anthropologische Funde von Schädeln möglicherweise besser zuordnen. Die Wissenschaftler wollen nun auch weiter am Ball bleiben: „Wir hoffen, dass wir in Folgearbeiten Prozesse weiter aufklären können, durch die Sprache sich entwickelt”, so Jäger und seine Kollegen.

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Quelle: Universität Tübingen
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