Es ist einer der ungelösten Kriminalfälle der deutschen Geschichte: Im Sommer 1694 verschwand der schwedische Graf Philipp Christoph von Königsmarck spurlos – kurz bevor er mit seiner verheirateten Geliebten Sophia Dorothea von Braunschweig-Lüneburg durchbrennen wollte. In diesem Sommer nun wurden im Leineschloss von Hannover menschliche Knochen gefunden. Sie könnten von dem ermordeten Grafen stammen.
Heimliche Affäre
Die heimliche Liebesgeschichte von Philipp Christoph von Königsmarck und der jungen Erbprinzessin Sophie Dorothea von Celle sorgte für weltweites Aufsehen. Die beiden Adeligen begegneten sich am Hof von Celle und waren von Jugend an befreundet. Sophia wurde jedoch mit 16 Jahren an Georg Ludwig, den späteren Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg verheiratet. Als der Graf nach seinem Studium in Oxford nach Hannover zurückkehrte, begannen Sophie Dorothea und er eine heimliche Affäre.
1694 planten die beiden Liebenden, durchzubrennen, doch sie wurden verraten und erwischt. Sophie Dorothea wurde daraufhin nach Schloss Ahlden in Niedersachen gebracht und dort bis zu ihrem Tod festgehalten. Der damals 29-jährige Graf von Königsmarck jedoch verschwand spurlos. Historiker vermuten schon seit längerem, dass er damals im Leineschloss von Hannover heimlich ermordet wurde – im Auftrag des Kurfürsten.
Knochenfunde im Leineschloss
Im Sommer 2016 machten Bauarbeiter im Leineschloss, dem heutigen Landtag, eine spannende Entdeckung: Beim Ausheben einer Grube für einen neuen Fahrstuhl stießen sie in acht Metern Tiefe auf menschliche Knochen. Es handelte sich um einen Teil eines Schädels und einige Gliedmaßenknochen. Erste Untersuchungen durch Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ergaben, dass die Skelettreste mehrere hundert Jahre alt sind.
Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei diesen Knochen um die Überreste des ermordeten Graf von Königsmarck handeln könnte. Allerdings gäbe es auch noch andere Erklärungen für den Skelettfund: „An der Fundstelle könnten etwa auch die Gebeine von Minoriten- oder Kapuzinermönchen liegen“, sagt Dietmar Vorend vom Landesamt für Denkmalpflege. Denn im Mittelalter lag an diesem Standort ein Kloster. Später hatten die Welfen ihre Familiengruft unter dem Leinschloss.
Ob es sich um die Überreste des verschwundenen schwedischen Grafen handelt oder nicht, soll nun eine DNA-Analyse klären. Dafür soll aus den Knochen extrahiertes Erbgut mit dem einer in England lebenden heutigen Verwandten des Grafen verglichen werden. Einer ihrer Vorfahren war mit seiner Schwester Amalie Wilhelmine von Königsmarck verheiratet. Sollte die DNA-Analyse Übereinstimmungen ergeben, dann könnte der Knochenfund den Kriminalfall um den schwedischen Grafen endlich abschließen. Zu den Forschungen der Universität Lund gibt es auch ein Video.
Verräterische Liebesbriefe
Von der heimlichen Liebe zwischen Sophie und Philipp zeugen noch heute mehr als 300 Briefe, die seit 1843 an der schwedischen Universität Lund aufbewahrt werden. „Das ist gar keine so große Zahl, denn die Menschen des 17. Jahrhunderts schrieben sich oft mehrmals am Tag Briefe – und die Post wurde auch mehrmals ausgeliefert“, erklärt der Historiker Håkan Håkansson von der Universität Lund. Allerdings bedeutete dieser Schriftwechsel für die beiden heimlichen Liebenden ein erhebliches Risiko.
Wohl deshalb ist ein Teil der Briefe in einer Art Geheimschrift verfasst. „Sie benötigten wohl diese Geheimsprache, um die potenziell gefährlichen Informationen zu verbergen“, so Håkansson. „Zudem mussten sie jemanden gehabt habe, dem sie trauten, um diese Briefe zu überbringen. Dennoch war es gefährlich – und es endete ja auch tragisch.“