Anhand von persönlichen Erinnerungsberichten ist eine deutsche Historikerin der Geschichte und den Geschichten einer besonderen Arbeitsmigrations-Bewegung des 20. Jahrhunderts nachgegangen: Tausende deutsche und österreichische Frauen wanderten in die Schweiz aus, um dort in Haushalten und im Gastgewerbe zu arbeiten.
Es gab zu wenig „Dienstmädchen“ in der Schweiz: Dieser Mangel löste die weibliche Migrations-Welle im frühen 20. Jahrhundert aus. „Mädchen, geh in die Schweiz und mach dein Glück!“, hieß es damals geradezu sprichwörtlich. Und so machten sich tausende junger Frauen auf den Weg: Sie verließen ihr Zuhause in Deutschland und Österreich und zogen in das reiche Alpenland um in Privathaushalten, Gastwirtschaften und Hotels als Dienst- oder Zimmermädchen, Kellnerinnen, Buffetfräuleins oder Köchinnen zu arbeiten.
Wer waren diese Auswanderinnen und was motivierte sie? Und fanden sie auch tatsächlich Glück in der Schweiz? Diesen Fragen ist die Historikerin Andrea Althaus von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Rahmen ihrer Dissertation nachgegangen. Sie hat dazu lebensgeschichtliche Interviews sowie schriftlichen Erinnerungsberichten von 79 Frauen ausgewertet, die zwischen 1920 und 1965 zum Arbeiten in die Schweiz gegangen waren.
„Viele der Auswanderinnen kamen aus der Landwirtschaft oder aus Arbeiterhaushalten, etwas weniger aus dem bürgerlichen Milieu“, berichtet Althaus. Sie kamen dabei nicht etwa vorwiegend aus grenznahen Gebieten, sondern aus ganz Deutschland und Österreich, zeigten die Auswertungen. Althaus zufolge zeichnete sich ab,
dass sich die Migration durch persönliche Beziehungen der Frauen in ihre Heimat stetig verstärkte. „Self-generating Migration oder auch Kettenmigration wird das genannt. Es hat sich über die Zeit ein breites Migrantinnen-Netzwerk ausgebildet. Fast jede junge Frau kannte jemanden, der in die Schweiz gegangen war. Das erleichterte das Weggehen“, erklärt die Historikerin.
Fanden sie Glück?
Was die Erfahrungen der Frauen in der Schweiz betrifft, zeichnete sich Althaus zufolge eine positive Tendenz ab: „Eine interessante Erkenntnis ist, dass die Frauen sich an ihre Zeit in der Schweiz oft sehr positiv erinnern. Manche sagen sogar, dass es ihre schönste oder beste Zeit gewesen sei.“ Es wurde in diesem Zusammenhang auch deutlich, dass viele Frauen die Migration in die Schweiz nutzten wollten und offenbar auch nutzten, um sich zu befreien. „Es waren nicht nur die verlockenden Vorstellungen von gutem Essen, hohen Löhnen und idyllischen Landschaften, die die Frauen dazu bewogen in die Schweiz zu gehen. Viele wollten einfach mal fort, weg vom strengen Elternhaus oder einer unbefriedigenden Arbeit in einer Fabrik“, so Althaus.
Die Historikerin beschäftigte sich zudem mit dem Aspekt der Überfremdungsängste in der Schweiz, die sich vor allem gegen die Einwanderinnen aus Deutschland richteten. Von Kritikern wurde damals beispielsweise angeführt, diese Frauen wollten sich vor allem einen Ehemann ergattern, um an einen Schweizer Pass zu kommen. Die Untersuchungen von Althaus kommen aber zu dem Schluss, dass diese Motivation offenbar keine so große Rolle gespielt hat.
Die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat die Arbeiten von Andrea Althaus nun als eine herausragende Leistungen im Bereich der Frauen- und Geschlechterforschung gewürdigt. So entstand die Idee zur Ausstellung „Mädchen, geh in die Schweiz und mach dein Glück“, die bis zum 1. Oktober 2017 im Dreiländermuseum Lörrach zu sehen sein wird.