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Wiener Hof war straff durchorganisiert

Geschichte|Archäologie

Wiener Hof war straff durchorganisiert
Prozession der Thronfolgerin Maria Theresia zum Stephansdom im Jahr 1740: Solche Ereignisse wurden straff geplant. (Bild: Georg Christoph Kriegl, "oath of fealty" (historisch))

Von wegen barocke Betulichkeit: Wer am Wiener Hof des 18. Jahrhunderts beschäftigt war, war Teil eines verblüffend professionellen Apparats. Denn die Verwaltung des riesigen Heeres von Angestellten und Hilfskräften war straff organisiert und lief erstaunlich professionell, wie Historiker herausgefunden haben. Vom adeligen bis zum niederen Personal waren die Aufgaben minutiös geplant und klar verteilt. Sogar Notfallpläne für die Evakuierung und andere Ereignisse waren schriftlich niedergelegt.

Umfangreicher Apparat

Der Hofstaat der österreichischen Habsburger war gewaltig: In Wien arbeiteten mehr als 2.000 Personen – vom Obersthofmeister, dem Chef der gesamten Hofverwaltung, über die Kämmerer und Stallmeister bis zu den Knechten und Wäscherinnen bei Hofe. Dementsprechend vielfältig und anspruchsvoll waren auch die Aufgaben des Personals, welches das politische, öffentliche und private höfische Leben zu verwalten hatte. „Das waren grundverschiedene Jobs, die die Angestellten in den Griff kriegen mussten“, erklärt Martin Scheutz von der Universität Wien.

Wie effektiv der Verwaltungsapparat am Wiener Hofes von 1711 bis 1806 tatsächlich lief, haben Scheutz und seine Kollegen nun erstmals umfassend untersucht. Für ihre Studie werteten die Forscher historische Dokumente aus. Zusätzlich erfassten sie die insgesamt 6.229 im Laufe dieser Zeit angestellten Personen und ihre Karriereentwicklung in einer Datenbank. 1.085 verschiedene Ämter wurden dabei berücksichtigt, von A wie Abwaschjunge bis Z wie Zwergin. „Auf diese Weise lassen sich größere strukturelle Veränderungen in der höfischen Organisation erkennen“, erklärt Scheutz.

Erstaunlich professionell

Eingespielte Teams kümmerten sich gerade vor großen Ereignissen um die nötigen Aufgaben und arbeiteten dabei erstaunlich effektiv und gut koordiniert. Immerhin bedurfte es teilweise monatelanger Vorbereitungszeit, beispielsweise um öffentliche Auftritte der Regenten mit mehreren tausend Personen zu organisieren.

Das hohe Maß an Professionalität überraschte dabei selbst die Historiker. „So etwas hat wie am Schnürchen funktioniert“, sagt Scheutz. „Das hat nichts mit einer barocken Betulichkeit zu tun, sondern zeugt von hartem Management, das eine straffe Organisation und Mitarbeiterführung einschloss.“

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Viele Arbeitsschritte und Abläufe wurden sogar schriftlich festgehalten, wie die Auswertung der Dokumente ergab. So existierten beispielsweise detaillierte Notfallpläne für den Fall einer Evakuierung des Hofes. Sie sahen exakte Reiserouten, Ladepläne und eine aufwendige Kutschenorganisation vor. Bei der Flucht des Wiener Hofes während der Koalitionskriege gegen Napoleon kamen sie zum Einsatz.

Dienstalter und „Vitamin B“: Karriere bei Hofe

Bürokratisch ging es auch im Personalmanagement zu: Wer einen Job bei Hof anstrebte, bewarb sich – ganz nach heutigem Stil – schriftlich beim „Büroleiter“ mit Angaben zu Herkunft und Qualifikation. Diese Bittschriften wurden in den Hofparteienprotokollen gesammelt, die auch Daten zu Besoldung, Nachbesetzung oder Pensionierung enthielten und damit das zentrale Gedächtnis der Hoforganisation darstellten.

Kriterien für eine erfolgreiche Karriere am Hof waren sowohl die Familienangehörigkeit als auch fachliche Kompetenzen. Denn wie die Historiker feststellten, nutzte nicht nur der Adel das „Vitamin B“ und familiäre Beziehungen für das Vorankommen bei Hofe. Auch die mittleren und niederen Ränge der höfischen Funktionsträger profitierten davon und protegierten häufig Familienangehörige.

Ähnlich wie bei heutigen Beamten spielte aber auch das Dienstalter eine Rolle für die Aufstiegschancen. Wer einmal im Dienste des Herrschers war, konnte aufgrund seiner Anstellungsdauer, seiner Erfahrung und Treue aufsteigen, wie das Beispiel des Johann Christian Schillinger zeigt. Schillinger begann seine Laufbahn bei Hofe im Jahr 1712 als „Spanischer Hofstall Schmied“, rückte 1746 zum „Klepperschmied“ und 1753 schließlich zum Wagenschmied auf. „Der Vorteil einer Anstellung bei Hof war, dass Berufsperspektiven gegeben waren und nachvollzogen werden konnten“, erläutert Scheutz.

Reformen unter Joseph II.

Ab dem Jahr 1765 wurden unter der Herrschaft von Joseph II. am Wiener Hof einige Reformen umgesetzt. Ähnlich wie schon in der Innenpolitik setzte der Regent auf stärker merkantilistische Vorstellungen und effektivere Strukturen. „Joseph II war sicherlich kein angenehmer Chef“, sagt Scheutz. „Er versuchte den Hof kleinzusparen, was mit großen Konflikten verbunden war.“

Repräsentative Bereiche wie Musik, Theater und Jagd wurden nun zugunsten der Versorgung, Verwaltung und Sicherheit reduziert. Im Zuge dieser Maßnahmen führte der Regent zudem erstmals ein Pensionssystem ein. Einerseits konnte so lang gedientes, älteres Personal von der Gehaltsliste genommen werden – was die Bilanz des Hofes verschlankte. Andererseits bekamen diese Angestellten dadurch eine Art Rente, ohne dass sie bis zum Lebensende arbeiten mussten.

Quelle: Wissenschaftsfonds FWF
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