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Shakespeare – ein Kryptokatholik?

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Shakespeare – ein Kryptokatholik?

Der englische Schriftsteller und Dichter, William Shakespeare (1564-1616), der zu den größten Dramaturgen der elisabethanischen Epoche zählt, soll Kryptokatholik gewesen sein und einige Jahre seines Lebens in Italien verbracht haben. Zu dieser Annahme gelangen Literaturwissenschaftler, nachdem sie angeblich verschiedene Eintragungen aus einem „Buch der Pilger“ William Shakespeare zuordnen konnten.

Im Zuge der Exkommunikation König Heinrichs VIII. von England 1535 durch Papst Clemens VII., war das Verhältnis zwischen Rom und England schwer beschädigt worden. Nur ein Jahr zuvor hatte König Heinrich VIII. ein Gesetz erlassen, das ihn zum höchsten Würdenträger der englischen Kirche erklärte. Seitdem mussten alle öffentlichen und kirchlichen Amtsinhaber einen Gefolgschaftseid auf den Monarchen leisten. Ein Verstoß gegen den Eid wurde als Hochverrat angesehen und mit dem Tod bestraft. Heinrichs Tochter und Thronerbin, Elisabeth I., folgte dem Prinzip ihres Vaters und wurde 1570 durch Papst Pius V. ebenfalls exkommuniziert. So war der Katholizismus Anfang des 16. Jahrhunderts aus England verbannt und konnte nur noch im Geheimen praktiziert werden. Als Kryptokatholiken bezeichnet man daher jene Katholiken, die sich nicht offen zu ihrer Religionszugehörigkeit bekennen und ihren Riten nur im Verborgenen nachkommen konnten.

Im Jahr 1585 schrieb sich ein gewisser „Arthurus Stradfordus Wigomniensis“ in ein „Buch der Pilger“ in Rom ein. Ferner, meldete die britische Tageszeitung „The Independent“, soll sich auch ein „Gulielmus Clerkue Stratfordiensis“ 1589 in jenes ominöse Buch eingetragen haben. Nach Annahme der Wissenschaftler sollen beide Eintragungen in Wirklichkeit dem Dramaturgen zuzuordnen sein.

Dieser Überzeugung ist auch Andrew Heaton, stellvertretender Direktor des „Venerable English College“ in Rom. Bereits im 6. Jahrhundert war ein Großteil der englischen Bevölkerung christlich. Pilgerreisen nach Rom wurden im Lauf des Mittelalters immer beliebter, und so wurde 1362 die „Englische Herberge“ (später „Venerable Englisch College“) in Rom gegründet, um Pilgern aus England eine Übernachtungsmöglichkeit zu bieten. Später, nachdem in England die Ausbildung von Priestern verboten worden war, wurde die „Englische Herberge“ zu einem Priesterseminar, dessen Ziel es war, seine Absolventen nach England zurückzuschicken; dort sollten sie für ihren Glauben eintreten.

Nach Meinung Heatons könnte die erste Signatur als „Landsmann des Königs Arthur von Stratford in der Diözese Worcester“ entschlüsselt, die zweite Inschrift als „Schreiber Wilhelm von Stratford“ dechiffriert werden. Allem Anschein nach gibt es sogar noch eine dritte Eintragung aus dem Jahre 1587, die nach Aussage des stellvertretenden Direktors als „Shakespeare in der Diözese Chester“ interpretiert werden könnte.

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Die Eintragungen in dem Buch der Pilger fallen in eine Zeit, in der über die Aufenthaltsorte des englischen Schriftstellers nur wenig bekannt ist. Nach heutigem Erkenntnisstand soll Shakespeare 1585 seinen Geburtsort Stratford verlassen und sieben Jahre später seine Karriere als Schauspieler und Schriftsteller in London begonnen haben. Es bleibt jedoch noch immer offen, wo sich der Autor in der Zwischenzeit aufgehalten hat. Andrew Heaton: „Es gibt mehrere Jahre im Leben von Shakespeare, über die nichts bekannt ist, wobei wahrscheinlich zu sein scheint, dass er zu dieser Zeit als heimlicher Katholik Rom besucht hat.“

Das „Buch der Pilger“ mit den angeblichen Eintragungen Shakespeares wird im Archiv des „ Venerable English College“ aufbewahrt. In der Ausstellung „Non Angli sed Angeli“, die in der Krypta der Schule aufgebaut wurde, sind diese als Faksimile zu sehen. Abgesehen von den Eintragungen Shakespears dokumentiert die Ausstellung die Geschichte der religiösen Beziehungen zwischen England und Rom. Neben Wanderpriestern, die sich in England versteckt hielten, reisten viele englische Pilger trotz drohender Festnahme oder Folter nach Rom, um ihren Glauben zu verteidigen. Die Geschichten einiger von ihnen kann man in der Ausstellung sehen.

In ihrem jüngst erschienenen Buch „The Life and Times of William Shakespeare 1564-1616“ schreibt die deutsche Anglistin und Literaturwissenschaftlerin Hildegard Hammerschmidt-Hummel, dass sie überzeugt davon sei, „dass der Dichter sich zum katholischen Glauben bekannte und im Geheimen für ihn eintrat.“ Weiter, so Hammerschmidt-Hummel, könne „die Religion der Schlüssel zum Verständnis von Leben und Werk des Dichters William Shakespeare sein.“ Die neuen Erkenntnisse über die verlorenen Jahre Shakespeares könnten sowohl als Hintergrundwissen für die Entstehung seiner Dramen als auch für die Deutung wichtiger Textstellen von großer Bedeutung sein. Laut Hammerschmidt-Hummel sollen Eltern, Freunde, Lehrer sowie viele Beschützer des Dramaturgen Katholiken gewesen sein. Unter diesen befand sich auch der Graf von Southhampton, der viele katholische Priester auf seinem Schloss „Titichfield Abbey“ und in seiner Londoner Residenz versteckt gehalten hat.

Über die Diskussion, ob Shakespeare Kryptokatholik war, hinausgehend, stellen einige Kritiker fest, dass in Werken wie „Romeo und Julia“ oder auch „Maß für Maß“ reichlich katholische Ideen und Riten zu finden seien. Diese würden auch den Hintergrund für die Sympathien, die Shakespeare Geistlichen in seinen Werken entgegenbrachte, bilden.

Am Ende der Forschungsdebatte, ob William Shakespeare heimlicher Katholik war oder nicht, bleibt jedenfalls festzustellen, dass immerhin fünf seiner 30 Dramen sowie fünf seiner Theaterstücke auf dem italienischen Festland entstanden sind; weitere fünf schrieb Shakespeare vollständig oder zumindest teilweise im alten Rom, drei andere auf Sizilien.

Quelle: Franziska Drescher
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